1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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luxuriöser Badeort vornehmsten Stils, eine Art Baden-Baden für Mecklen-
bürg mit einer Spielbank und berühmten Pferderennen, regelmäßig besucht
vom Großherzoglichen Hose, der sich hier ein Sommerpalais mit prächtigem
Park erbaute, sowie der gesamten reichen Aristokratie Mecklenburgs. Diesen
Charakter hat es seit Aufhebung der Spielbank verloren und ist jetzt eine
kleine stille Landstadt geworden, wenngleich die Unzerstörbarkeit seiner schönen
Lage und eine aus dem Untergrund der eisenhaltigen Wiesenmoore in der
Umgebung empordringende Stahlquelle immerhin noch eine, jetzt von be-
scheideneren, aber weiteren Kreisen besuchte Sommerfrische und Heilstätte
schaffen. Seine Lage als Ausflugsort für Rostock wird gern mit der von
Potsdam für Berlin verglichen. Alljährlich einmal, Ende Juli, kehrt Doberans
Glanz auf wenige Tage zurück, wenn die noch immer stattfindenden Dobe-
raner Pferderennen von neuem den Hof und den Adel Mecklenburgs hierher-
führen. Am letzten Tage derselben findet ein „Bauernrennen" statt, an das
sich ein originelles Volksfest mit Illumination, Jahrmarkt und Tanz an-
knüpft. Zu stillerer Zeit ist es etwas anderes, was den sinnigen Beobachter
nach Doberan führen kann. Es ist die altehrwürdige Kirche des Zisterzienser-
klosters Doberan, 1230 gegründet. Von ihren älteren, in romanischem Stil
erbauten Anlagen zeugt ein noch gut erhalteues epheuumranktes Stück eines
Kreuzgauges. Sie wurde dauu als ein gotisches Gebäude in Kreuzform
umgebaut und gilt gegenwärtig als eine der edelsten Kirchenbauten des
Landes.
(6. Rügen.) Der Doppelort Gößnitz-Crampas ist heut das erste und
vornehmste der rügenfchen Bäder, namentlich feit die Eisenbahn von Bergen
bis hierher geführt und durch Bau eines Schutzhafens und Einrichtung des
Schnellverkehrs zwischen Berlin und Stockholm über Saßnitz-Trelleborg hier
ein Verkehrspnnkt ersten Ranges geschaffen wurde. Saßnitz baut sich mit
hübschen, in Gärten gebetteten Villen malerisch an der steilen, waldgekrönten
Uferlehne auf oder liegt in der grünerfüllten Schlucht des Steiubachs. Das
benachbarte Crampas liegt offener und hat einen bescheideneren, weniger
eleganten Charakter als dies Sorrent oder Amalsi der Ostsee.
Südwestlich von Crampas gelangt man zu dem Hansemannschen Schlosse
Dwasieden mit seinem schönen, auch bereits auf hohem Steilufer gelegenen
Park. Nordöstlich von Saßnitz, längs des Strandes, zieht sich derjenige
Spaziergang hin, der wohl ohne Frage den Gipfelpunkt landschaftlicher
Schönheit an der ganzen Ostseeküste ausmacht. Mit Hilfe von Aufschüttun-
gen ist unmittelbar zwischen See und Felswand ein schmaler Pfad geschaffen,
der sich mehrere Kilometer weit bis zu den „Wissower Klinken" erstreckt.
Mehrfach überwölbt ihn zunächst dichtwucherndes Baumgezweig, so daß man
fast wie im Tunnel geht. Dann wird der Weg freier und zugleich die
Felswand zur Linken höher und kühner. Tiefe Runfen haben die Rinn-
wäffer in die Kalkfelsen geschnitten, phantastische Zacken ragen zwischen ihnen
empor, am kühnsten die Pyramidenfelsen der „Wissower Klinken". Knrz
vor ihnen erklimmt der Weg die Höhe und führt nun auf ihr im Schatten
der „Stubnitz", des schönsten Buchenwaldes dahin, der sich denken läßt.
Bald taucht er auf Zickzackwegen hinab in tiefe Waldschluchten, die von den
zum Meere eilenden Bächen hineingeschnitten sind, und steigt an der anderen
wieder empor, bald führt er uns ins Innere, in tiefgrüne Baumhallen, deren
Decke von den Buchenstämmen wie von silbernen Säulen getragen wird,