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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 392

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 392 — Weg sonniger; bald aber gelangen wir in das eigentliche „Gebirge", blicken in dunkle Waldschluchten und weit über die blane Wasserfläche. In Luisen- tat empfing mich lautes Kindergeschrei, Ein Mann, in einem Kasel (ein langer Rock von dicker Leinwand mit einer Kapuze, vor dem Gesicht ein Haarsieb), hatte eben den Bienen ihren Honig genommen (man nennt das hier: die Bienen brechen) und kehrte reich beladen in das Hans zurück. In der eiueu Hand hielt er die Honigwaben, in der anderen einen Feuerbrand, um die Bienen zu vertreiben. Die Kinder umschwärmten ihn in respekt- voller Entfernung; eine Frau erwartete sie au der Haustüre mit einem Korbe voll Semmeln. Ich stand einen Augenblick hinter einem Baume verborgen und erfreute mich an der lieblichen Szene; dann zog ich weiter... Soll ich nuu uoch etwas über das Frische Haff erzählen, so bemerke ich betreffs seines Namens, daß derselbe wohl in der Tat ein frisches Wasser bedeutet und weder mit dem Flusse Frischiug noch mit der altpreußischen Sprache etwas zu tun hat. Im Sommer freilich, namentlich im Juli und August, verdient es diese Bezeichnung selten. Es entsteht dann nämlich im Wasser eine eigene Art von Pflänzchen von fast mikroskopischer Kleinheit, welche dem Haff eine grüne Farbe geben und, am Ufer ausgeworfen und getrocknet, dasselbe wie mit Vitriol überziehen. Zugleich verbreitet sich ein äußerst widerwärtiges Miasma, welches tief ins Land dringt und den Menschen Kopfweh verursacht. Tote Fische werden in großer Zahl ausge- worseu; Enten aber, die von diesen auf das Ufer gespülten Pflänzchen treffen, sollen gar davon sterben. — Wenn sich das Haff in diesem Zu- stände befindet, so sagt man: es blüht. Sonderbar ist es, daß auch die Theiß in Ungarn im Sommer sich mit mikroskopischen Tierchen bedeckt, und daß es dann gleichfalls von ihr heißt, sie blühe. Nachdem dieses alles am Haff gesehen und bedacht worden, begab ich mich in einem Taleinschnitt durch den noch juugeu Wald wieder auf die Straße zurück. Bald verläßt man denselben und kommt durch ein sonder- bares Hügel-(Höcker-)Land nach dem Städtchen Tolkemit. Vorher sieht man noch am Haffufer Menschen, welche kleine Steine auflesen und in ein Boot schütten. Es sind dieses Kalksteine, die kurz vor Tolkemit gebraunt und demnächst verschifft werden. Tolkemit gehört zu jenen Städtchen, welche das Schicksal haben, wegen ihrer Kleinheit als Zielscheibe des Spottes der Reisenden zu dienen. So erzählt ein jeder gern die Sage von einem Aal, der einst gedroht habe, die Stadt zu verschlingen, und nur mit Mühe und Not an eine Kette gelegt worden sei, „allwo er noch jetzt zu sehen". Andere wundern sich über die Menge von Scherben, die an ein Scherbengericht erinnern. Und in der Tat, Tolkemit ist ein wahres xtqa/ueixov (so hieß die Töpfervorstadt von Athen): denn überall stehen die Töpferwaren vor den Türen auf dem so- geuaunteu Bürgersteige, um zu trockueu und demnächst gebrannt zu werden. Man kann keinen Jahrmarkt tief im Lande besuchen, ohne die Tolkemiter Töpfer anzutreffen, deren Waren sich durch Sauberkeit und Dauer aus- zeichnen. Überhaupt sind diese verschrieenen Tolkemiter fleißige Leute, die sich sogar bis zur Höhe der Selbstironie erheben können; denn von einem dortigen Bürger hörte ich folgendes anmutige Verslein: O Tolkemit, du schöne Stadt, du bist fürwahr ein Wunder,
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