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1. Quellenlesebuch für den Unterricht in der Länder- und Völkerkunde - S. 393

1911 - Hannover-List [u.a.] : Carl Meyer (Gustav Prior)
— 393 — lvenn einer dich gesehen hat, so ist Paris ein Plunder. Im höchst einfachen Gasthause lag eine Elbinger und eine Berliner- Zeitung aus, und an der Wand hing ein schöner, großer Kupferstich, die Geburt Christi darstellend. Bedenke ich nun noch, daß Tolkemit die Vater- stadt des Mönches Simon Grünau ist, eines berüchtigten Chronisten, dessen phantasievolle Erfindungen in der preußischen Geschichte eine so heillose Verwirrung angerichtet haben, so wüßte ich nicht, was ich sonst noch von Tolkemit berichten sollte. (3. Cadinen bei Elbing.) Wir machen uns also auf und kommen in einer Stunde nach Cadinen, dem schönsten Punkte dieses ganzen Höhen- znges, wo sich Berg und Ebene, Höhe und Tiefe, Wald und Feld mitein- ander verbinden, wo uns die Natur mit ihrem Zauber umfängt und die Kunst eine Stätte gefunden hat. Läge dieses Cadinen an der großen Heer- straße, es lebte in dem Munde der Reisenden gleichwie der samländische Ostseestrand oder die wundervolle Umgebung Danzigs. Auch so suchen es Freunde einer schönen Natur von nah und sern auf und erquicken sich in dem geschmackvoll angelegten Garten, darinnen die Springbrunnen rauschen und die Orangen blühen, oder in dem Buchenwalde, der die ganzen Höhen gleich hinter dem Garten bedeckt, und daraus das nun verlassene Bern- hardiner-Kloster blickt, oder endlich auf der letzten Waldhöhe, zu der man höher und höher steigt, von wo aus das Haff vor der Größe des Meeres zurücktritt. Denn wunderbar ist es, wie die kleine Fläche des Meeresspiegels so unendlich größer erscheint als die weite Wasserfläche des Haffs. So wirkt auch die ferne winzige Spitze des Montblanc erdrückend auf alle die Vorberge, welche ihn verdecken. So schön ist es hier, daß ich nicht einmal das Kloster kritisieren mag, das den wüsten Eindruck des Verlassenseins macht, ohne bereits zu der Schönheit der Ruine zerfallen zu sein. Ein ähnliches verlassenes Kloster sah ich einst auf der Höhe über Sorreut und empfand ganz denselben Ein- druck der Nichtbesriediguug. Ohnehin war die Bauart dieses Klosters so häßlich wie die des uusrigen. Aber die Aussicht ist bei beiden entzückend. Hier erblicken wir drüben namentlich Kahlberg in seinem Kiefernwalde und ahnen seine überraschende Schönheit. Das Kloster scheint erst gestern verlassen zu sein. Auch ist es in der Tat nicht so lange her. Am Anfange des vorigen Jahrhunderts wurde' es aufgehoben, und im Jahre 1829 fand der letzte der Mönche, Raphael Bock, seinen Tod in den Fluten des Pregels. Jetzt wohnt ein Schullehrer darin. — Hunderte von Namen bedecken die Wände, so weit sie der Menschen- Hand erreichbar finb; selbst ein großes Ölbild, halb verlöscht, haben die Mitglieder einer Königsberger Studentenverbindung mit ihren Namen be- schrieben. Weshalb die Meuschen dieses nur tun? Wollen sie einem nach- folgenden Reisenden zurufen: Auch ich war hier! Oder ist es ein Ausdruck jenes im Menschen liegenden Dranges, die Erinnerung an seine schnell ver- gessene Existenz wachzuhalten, etwas für seine Ewigkeit zu tun? Sonderbar ist es wenigstens, daß man solches Schreiben „sich verewigen" nennt. Geht man von dem Kloster höher hinauf, so gelangt man zur letzten Höhe bei dem Dorfe Lenzen, von wo man den erwähnten weiten Blick auf die See hat. Bei dem Namen Lenzen denkt natürlich ein jeder sogleich an
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