1911 -
Hannover-List [u.a.]
: Carl Meyer (Gustav Prior)
- Autor: Marquardt, Rudolf
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Lehrerbildungsanstalt
- Inhalt Raum/Thema: Völkerkunde?
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Dörfern erweitert — aus einer geringen Anzahl von Gehöften, etwa drei
bis sechs, und die Ländereien, bald Ackerstreifen, bald Blöcke, sind nach Um-
fang, Bodenart und Entfernung vom Hofe viel ungleicher als die Hufeu
der Haufeudörfer. Man nimmt an, daß ein Großgrundbesitzer, der zunächst
in Lothringen seinen Hof nach dem vornehmen Muster einer römischen
Villa oder eines Villare (lothring. ville, villers) eingerichtet hatte, einige
Teile seines weiten Gutes an seine Söhne oder an kleinere Leute ausge-
geben habe. Deswegen treten auch die zahlreichen Weilernamen fast aus-
schließlich in Oberdeutschland, namentlich in demjenigen Teil auf, in dem
die Römer Villen angelegt hatten, und da die fruchtbarsten Striche der
Ebene und der offenen Täler schon von den volkstümlichen Gewannenfluren
eingenommen waren, so waren die Weiler mehr ans die unfruchtbaren
Plateaus des Odenwaldes, der Rauhen Alb und ihrer Ausläufer bis nach
Ulm hinüber, des Steigerwaldes, der Naabgegend und des Bayerischen
Waldes angewiesen. Die Alemannen legten ihre Weiler, Weier und
Weil meistens an den Rand der Gebirge, oft ziemlich dicht aneinander, wie
z. B. bei Freiburg Wolsenweiler, Ohlinsweiler, Pfaffenweiler und Bolfch-
weil, die Schwaben in die Vorarlberger Alpen, die Bayern iu die Vorberge
der Alpen bis zur Euus in Österreich. Das Wesen dieser bald dauernd
abgeschiedenen, bald vom Verkehr ergriffenen Weiler scheint sich nicht so
scharf ausgeprägt zu haben, wie das der Dörfer und der Einzelhöfe, sondern
neigt je nach Ortslage und Entwicklung entweder dem einen oder dem
anderen Typus zu. Doch wird die Volkskunde bei tieferem Eindringen
auch dieser Siedeluugsart wohl noch einzelne eigentümliche Lebensformen
abgewinnen.
(3.) Eine wiederum andere Siedeluugsart. das Reihendorf, ist, teil-
weise unter grundherrlicher oder fürstlicher Anleitung, durch eine mühsamere,
eingreifendere Arbeit bäuerlicher Kolonisten in etwas späterer Zeit geschaffen
worden. Schon Karl der Große, der größte Volkswirt der deutschen Ver-
gangenheit, siedelte zahlreiche Sachsen im Fränkischen und Alemannischen
und wiederum Franken und auch Wenden in Sachsen an, kolonisierte die
holländischen Bruchläudereieu und verlieh wohl schon den Waldkolonisten
die sogen. Königs-, Wald- und Hagenhusen, d. h. geschlossene Doppel-
Hufen von 60 Morgen. Als die offeneren, zugänglicheren und leichter zu
bestellenden Gebiete iu den fruchtbaren Tälern und anf den ungünstigeren
Hochflächen seltener wurden und die Großgrundbesitzer nach Neuland trachteten,
taten auch diese den kleinen Leuten solche Hufen, auch Deich-, Marsch-
und Moorhufen, in der Wildnis aus. Die sächsischen und salischen Kaiser
förderten gleichfalls die Arbeit in den Nord- wie in den Ostmarken, auf
altdeutschem wie auf slawischem oder ungarischem Boden. Später riefen
auch einzelne Fürsten und Gutsherren Neusiedler von Westen in das Öd-
land. So wurde Österreich, Kärnten und Steiermark von Deutschen bebaut,
dann der das böhmische Tschechengebiet umgebende ungeheure, uoch nnan-
getastete Markwald des Böhmerwaldes, des Erzgebirges und der Sudeten
aus grüner Wurzel besiedelt und mit deutschen Reihendörfern befetzt.
Die Friesen kolonisierten Nordfriesland an der fchleswigfchen Westküste und
das Sater-, Stedinger- und Wursterland an der Unterems und
Unterweser, sowie die Moore am Dümmersee. Um den Anfang des zwölften
Jahrhunderts aber nahm die Kolonifation des Ostens einen neuen nach-