1905 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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fernt man die Grundmoräne, so bemerkt man ferner, daß nnch der Felsgrund
glatt poliert und geritzt ist. Von derselben Beschaffenheit sind die Seitenwände
des Tales, soweit sie das Gletschereis bedeckt.
Wie sind diese eigentümlichen Erscheinungen zu erklären? Es ist bereits
erwähnt worden, daß der Gletscher nicht bloß fließt, sondern anch eine allerdings
geringe gleitende Bewegung hat. Bei dem ungeheuren Gewichte nun, das er
besitzt, ist es leicht erklärlich, daß er bei feiner Fortbewegung alle noch so kleinen
Ecken und Spitzen seiner Unterlage abschleifen und so sein Bett allmählich ver-
tiefen umß. Verstärkt wird diese Arbeit noch durch die zahlreichen Gesteins-
trümmer, die vou den Seitenwänden her und durch Gletscherspalten aus deu
Grund geraten. Hier werden sie durch die sich langsam fortbewegenden Eis-
Massen mit fortgeschoben, wobei sie dann mit ihren scharfen Kanten und Spitzeu
deu Felsboden kratzen und ritzeu. Dabei werden sie fortwährend auch selbst ab-
genutzt, geglättet und gestreift wie das unter ihnen liegende Gestein oder anch
ganz zerrieben. So entsteht eine sandige, schlammige, mit Steinen durchsetzte
Masse, die Grundmoräne. Ihre feineren Teile werden unaufhörlich vom
Wasser mit fortgespült, daher denn auch der Bach, der dem untern Ende des
Gletschers entströmt, eine trübe Färbung hat.
Was der Gletscher an Gesteinstrümmern am Grunde sortschiebt oder auf
feinem Rücken mit sich fortträgt, häuft sich an seinem untern Ende an und
bildet hier die Eud- oder Stirnmoräue. Sie erscheiut hier als schmaler,
niedriger, dort als breiter, mächtiger, bergartiger Steinwall. Anderwärts tritt
sie uns alz eine weite Schlamm- und Kiessläche entgegen, in der mächtige Fels-
trümmer zwischen unregelmäßigen Schutthügeln zerstreut liegen. In der Mitte
ist stets eiue Lücke, durch die der Gletscherbach absließt.
Schwankungen in der Größe der Gletscher. Die Größe der Gletscher ist periodischen
Veränderungen unterworfen. Auf Zeiten scheinbaren Stillstandes folgen solche merklichen
Rückganges, bis wieder nach einem Stillstande ein erneutes Wachstum beginnt. Im
17. und 18. Jahrhundert scheint in den Alpen eine allgemeine Zunahme der Vereisung
stattgefunden zu haben. Seit etwa 1850 dagegen ist fast überall, und zwar nicht nur in
den Alpen, sondern auch iu den Pyrenäen, in Norwegen und im Kaukasus eiu Zurück-
weichen der Gletscher beobachtet worden. Der Rhonegletscher z. B. hat Wo m an Länge
verloren, der viel mächtigere Pasterzengletscher allerdings nur etwa 100 m, aber seinen
Raumverlust hat man auf 218 Mill. cbm geschätzt. Nach Richters Berechnung beträgt
die Gesamtverkleinerung der Ostalpengletscher beim letzten Rückgange über 9 Kubik-
kilometer.
Wie es scheint, geht die Periode des Rückganges aber jetzt ihrem Ende entgegen.
Zwar hat in den letzten Jahren bei den meisten Alpengletschern noch eine Abnahme statt-
gefunden. So ist z. B. der Rhonegletscher 1303 noch um 111 /.2 m zurückgewichen. Andere
dagegen habeu wieder zugenommen. Während dies 1.901 nur erst in einem Falle
beobachtet wurde, konnte man im Jahre 1903 schon ein Wachstum bei 15 Gletschern
feststellen.
Die Ursachen solcher Ab- und Zunahme der Gletscher liegen ohne Zweifel in
klimatischen Verhältnissen, sind aber noch nicht genügend erforscht. Ein Rückgang kann