1905 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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mit abwechselnder Gewalt die Region beherrschen, die ganze Natnr in unendlichen
Aufruhr versetzen, Bäume brechen und in die Tiefe schleudern, Felsstücke los-
reißen, die Waldbäche auffüllen, Hänser und Ställe abdecken, ein Schrecken des
Landes. In den Talteilen, die der südlichen Bergmauer zunächst liegen, wütet
er gewöhnlich am heftigsten; denn dort brechen die warmen Lnstslnten am regel-
losesten und gewaltigsten herein." Mit furchtbarer Gewalt zeigt er sich auch auf
dem Vierwaldstätter See. Das Gewässer wird bis in seine Tiesen aufgeregt.
Durch einzelne Windstöße wird das Wasser zu weithin sichtbaren Staubsäulen
ausgepeitscht. In langen Reihen ziehen die schaumgekröuteu Wogen gegen die
Felsenufer, um dort hochaufspritzend zu zerschellen. Die Schiffe aber, die auf
den empörten Wellen dahintreiben, schweben in der größten Gefahr, und nicht
selten fällt das eine oder andere den vereinten Gewalten der Luft und des
Wassers zur Beute.
Trockenheit und Wärme. Der Föhn ist ungemein trocken und warm,
mitunter sogar heiß. Der tägliche Gang der Temperatur wird durch ihn völlig
gestört, ja manchmal geradezu umgekehrt. Entwickelt sich z. B. der Föhn nach-
mittags und dauert bis iu die Nacht hinein fort, so kann es vorkommen, daß
abends um 9 Uhr das Thermometer um 10° höher steht als mittags 1 Uhr.
Ja selbst im Dezember und Januar steigt während des Föhns die Wärme mit-
unter auf 15 bis 18° C. Die relative Feuchtigkeit der Luft bleibt stets hinter
dem sonst gewöhnlichen Mittelwert weit zurück und sinkt in einzelnen Fällen bis
ans 25 °/0; ja bei einem Föhnsturm am 10. Dezember 1856 betrug sie iu Bludeuz
sogar nur 13°/0.
Schädliche Wirkungen. Die trockene Wärme des Föhns wirkt erschlaffend anf
alle Organismen. „Unruhig ziehen sich die Gemsen auf die Nordseite des Berges
oder in tiefe Felsenkessel", schreibt v. Tschndi. „Kühe, Pferde, Ziegen suchen
mit Mißbehagen nach frischer Luft, während der Föhn ihnen Rachen und Lunge
austrocknet. Kein Vogel ist in Wald und Feld zu erblicken. Die Menschen
teilen das allgemeine Unbehagen, das beengend aus Nerven und Sehnen wirkt
und dem Gemüte eine lastende Bangigkeit aufdrängt." Weht der Föhn zur Blütezeit
der Bäume, so welken die Blüten und fallen versengt zu Boden. Das während des
Winters aufbewahrte Heu darf beim Föhn nicht aus dem Speicher weggebracht
werden, denn es zerkrümelt und zerfällt zu Staub. Besonders gefährlich wird der
Föhn noch dadurch, daß er das Holzwerk der Häuser stark austrockuet. Ein
einziger Fuuke kauu dann leicht Veranlassung zu einem Brande werden, bei dem
alle Löschversnche vergeblich sein würden. Schon manche Ortschaft ist beim Föhn
ein Raub der Flammen geworden, so z. B. 1861 das Städtchen Glarns, 1892
das Dorf Grindelwald. In einigen Kantonen der Schweiz war es deshalb früher
verboten, während des Föhns anf der Straße zu rauchen; in manchen
Gegenden durfte fogar kein Herdfeuer brennen, und Feuerwachen zogen rasch
von Haus zu Haus, um sich vou dem Auslöschen zu überzeugen.