1905 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
— 63 —
Unter den Seen auf der Südseite der Alpen zeichnen sich besonders vier
durch Größe und Schönheit aus: der Lago maggiore (maddschore) oder
Langensee, der Luganer, der Comer (G. 65) und der Gardasee. Der
erste wird vom Ticin o (titschino) odertessin, der dritte von der Ad da und
der vierte vom Mincio (mintscho) durchströmt. Ihre Umgebung gleicht der der
Schweizer Seen, aber sie sind diesen gegenüber durch ein viel wärmeres Klima
und eine üppigere Pflanzenwelt bevorzugt. Den größten Teil des Jahres spannt
sich ein heiterer, blauer Himmel über ihnen aus, und an ihren Ufern gedeihen
bereits Südfrüchte, wie Zitronen und Apfelsinen.
Bedeutung der Seen. 1. Die Seen sind durch ihre tiefe Lage inmitten
hoher Berge vor den rauhen Winden geschützt und haben darum ein mildes
Klima. Selbst an den meisten der n. gelegenen gedeiht der Weinstock; in
geschützten Lagen kann sogar der Feigenbaum überwintern. Daher sind
die Seen die Sammel- und Ausgangspunkte der Vegetation.
„An ihren Usern sproßt und grünt zuerst der Frühling, und von ihnen aus
beginnt er alljährlich seinen Triumphzug weiter hinauf und hinein in das
Alpenland."
Das milde Klima der Seeuferlandschaften hat seinen Grund nicht bloß in der
geschützten Lage. Auch die Seen selbst tragen zur Erwärmung bei. Im Sommer
nehmen die ruhig daliegenden großen Wasserflächen infolge der Sonnenbestrahlung eine
bedeutende Wärmemenge auf. Die Seen sind darum an der Oberfläche gewöhnlich viel
wärmer als die Flüsse, die sie speisen. Nun hat das Wasser die Eigentümlichkeit, daß es
nur sehr langsam erkaltet. Infolgedessen hält es einen Teil der im Sommer auf-
genommenen Wärme bis in den Herbst und Winter hinein zurück. Es ist in diesen
Jahreszeiten nicht uur wärmer als das Flußwasser, sondern auch wärmer als die Luft
und erhöht daher auch die Temperatur der Uferlandschaften. Man hat berechnet, daß der
Bodensee in einem Winterhalbjahre an seine Umgebung soviel Wärme abgibt, als durch
Verbrennung von 23 Mill. Tonnen Kohle erzeugt würde. Erst im Februar erreicht die
Temperatur der Seen einen ziemlich niedrigen Grad. Bis dahin bewegt sich das abgekühlte
und darum schwerer gewordene Oberflächenwasser stetig nach unten und macht dem
leichteren, weil wärmeren Tiefenwasser Platz. Das macht es auch erklärlich, daß von den
größeren Alpenseen manche nie, die andern nur höchst selten einmal zufrieren.
2. Infolge des milden Klimas und der Fruchtbarkeit ihrer
Uferlaudfchaften sind die Seen schon sehr früh zu Mittelpunkten
menschlicher Ansiedelungen geworden. Zahlreiche Städte und Dörfer
mit Weinbergen, Obstgärten und Getreidefeldern umkränzen ihre Ufer.
3. Die größeren dieserseen sind auch belebte Wasserstraßen
für den Verkehr. Zwischen den Hanptorten gehen regelmäßig Dampfer hin
und her. Dazu kommen dann die zahlreichen Segel- und Ruderboote. Doch
sind die Seen heute fast nur noch für den Lokalverkehr von Bedeutung. In
früheren Zeiten, als es noch keine Eisenbahnen gab, war das anders. Damals
bildeten viele der Seen Teile der großen Handelsstraßen, weil auf ihnen die
Waren bedeutend billiger befördert werden konnten als auf Wagen oder Saum-