1905 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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um den Kranz und begießt ihn dann mit Wasser. Infolge der Abkühlung verringert sich
sein Umfang, und die Felgen werden fest aneinander gepreßt. Wie der erkaltende Reifen
auf den Radkranz wirkt, so mußte die Erstarrungsrinde der Erde aus das glutflüssige
Innere wirken. Mit der Erkaltung und Erstarrung war notwendig eine Zusammenziehung
verbunden. Da aber der Kern nur wenig nachgab, so wurde die Hülle au vielen Stelleu
gesprengt; die Ränder der Risse wurden in die Höhe gebogen, und aus den Öffnungen
ergoffen sich glühende Massen, die sich über der Oberfläche anhäuften.
Als die Erdrinde dicker geworden war, hatte die weitere Abkühlung wesentlich andere
Folgen. Jetzt zog sich der Kern mehr und mehr zusammen, und es bildeten sich große
Hohlräume im Innern der Erde. Der Erdkruste erging es nun wie der Haut eines zu-
sammeuschrnmpfenden Apfels oder einem Kleidungsstücke, das uus zu weit geworden ist:
es bildeten sich Runzeln und Falten. Anderwärts zerbrach die Erddecke, und gewaltige
Schollen sanken in die Tiefe. So entstanden mächtige Gebirge und große Meeresbecken.
Das Erdinnere. Auch jetzt noch muß im Innern der Erde eine ungeheuer hohe
Temperatur herrschen, wie aus mehreren Anzeichen hervorgeht. Allbekannt ist, daß in
tiefen Bergwerken die Luft wärmer ist als über der Erde. Genaue Messungen haben
ergeben, daß die Wärme mit der Tiefe stetig, wenn auch nicht überall gleichmäßig, zunimmt.
In einem der tiefsten Bohrlöcher der Erde, dem von Schladebach bei Merseburg, fand man
in einer Tiefe von 1750 m eine Temperatur von 56,6°. Ein weiteres Anzeichen für die
hohe Wärme des Erdinneru bilden die heißen Quellen, die an vielen Orten aus der Tiefe
hervorsprudeln. Den überzeugendsten Beweis aber liefern die Vulkane, aus denen noch
heute feurig-flüfsige Massen aus dem Erdinnern an die Oberfläche befördert werden.
In welchem Aggregatzustand sich der Erdkern befindet, wissen wir nicht. Früher
nahm man allgemein an, daß er infolge der hohen Temperatur flüssig sei. Dagegen haben
sich aber neuerdings Bedenken erhoben. Man hat auf den ungeheuren Druck hingewiesen,
der auf dem Erdinnern laste und es dermaßen zusammenpresse, daß es zu einer festen,
zum mindesten aber teigartigen Masse werden müsse. Flüssige Lava könne nur an örtlich
umgrenzten Stellen mit geringem Drucke vorkommen. Andere halten den Erdkern für
gasförmig. Die Wärme, so sagt man, ist in der Tiefe der Erde so groß, daß jeder Körper
dadurch zu Gas verflüchtigt wird. Freilich können Gase durch hohe Belastung zu Flüssig-
keiten verdichtet werden. Der Druck, bei dem es geschieht, wächst aber mit der Höhe
der Temperatur. Nun gibt es für jeden Körper eine sog. kritische Temperatur, bei der
er nicht anders als in gasförmigem Zustande bestehen kann und kein noch so hoher Druck
imstande ist, ihn in einen andern Aggregatzustand zu verwandeln. Die Wärme des Erd-
innern ist aber, wie man annehmen muß, bedeutend höher als die kritische Temperatur
irgend eines Körpers. Folglich, so schließt man, muß der Erdkern gasförmig sein.
Wirkungen des Wassers. Als die Erde einigermaßen erkaltet war, trat sie in eine
neue Entwicklungsperiode ein. Der Kreislauf des Wassers begann. Bisher
hatte das Wasser nur als mächtige Dampfhülle die Erde umgeben. Nun verdichtete es
sich zu Nebeln und Wolken und rauschte als Regen hernieder. Dabei verrichtete es eine
bedeutsame Arbeit an der festen Erdrinde. Es sammelte sich in allen Vertiefungen des
Gesteins, es rann von den Gebirgen hernieder und bildete Bäche und Flüsse, die den
großen Einbruchsgebieteu zueilten. So entstanden Seen und Meere. Das Wasser hatte
aber auch eine zerstörende Wirkung. Es drang in alle Ritzen und Spalten des Gesteins
ein, löste einen Teil auf, lockerte den Zusammenhang und wirkte durch seinen Gehalt an
Kohlensäure und auch sonst chemisch zersetzend. Der Vorgang der Verwitterung
begann. Dadurch wurde die oberste Schicht der Felsen in Gesteinstrümmer und feine
Erde umgewandelt, wie das auch noch jetzt fortwährend geschieht. Der Verwitternngs-
schntt aber wurde durch den Regen unaufhörlich fortgespült und durch die Bäche und
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