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1. Europa - S. 63

1909 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
63 Hirtenlebens, das sich auf den endlosen Grasslächen abspielte. Nur gering war die Zahl der menschlichen Ansiedlungen in der Pußta. Viele Stunden weit mußte man oft wandern, ehe man auf eine einsam gelegene Schenke, ein Gehöft, ein Dorf oder eine Stadt traf. Hier und da ragte das Gestänge eines Ziehbrunnens, an dem die Herden getränkt wurden, zum Himmel empor. Belebt war die Pußta von großen Herden halbwilder Pferde, Rinder, Schafe und Schweine, die unter der Aufsicht von Hirten umherzogen und nur im Winter, wenn schreckliche Schneestürme die Steppe durchfegten, für kurze Zeit unter Dach kamen. Unter den Hirten gab es eine Art Kasteneinteilung. Auf der untersten Stufe stand der Schweinehirt, dann folgten der Schaf- und der Rinderhirt; am vornehmsten war der Pferdehirt (Czikos, spr. Tschikosch), eine von ungarischen Dichtern vielbesungene, volks- tümliche Gestalt. „Der Pferdehirt — so schreibt Braun-Wiesbaden noch in seinem 1878 erschienenen Buche „Reiseeindrücke aus dem Südosten" — ist in der Regel beritten; er trägt den bekannten kleinen schwarzen Hut, ein blaues Hemd und blaue Beinkleider und führt daneben den Lasso mit der Schlinge und der Kugel, womit er die Pferde einfängt, sowie eine lange Peitsche, mit der er die Tiere Haufen- und scharenweise lenkt. Die beste Gelegenheit, den Tschikosch zu studieren und zu bewundern, hat man auf den drei großen Pferdemärkten zu Debreczin, Szegedin und Pest. Hier werden die Pferde aus dem ganzen Lande zusammengetrieben. Sie tragen nicht das geringste Geschirr. Man treibt sie in Rudeln, die der berittene Tschikosch mit seiner Peitsche umkreist und regiert. Der Kauf- liebhaber bezeichnet irgend ein Tier aus der Masse. Der Tschikosch fängt es mit dem Lasso ein, wirft es durch einen Ruck zu Boden und legt ihm dann einen Strick ins Maul. Das Tier springt entsetzt wieder auf, allein es hat den Tschikosch auf dem Rücken, der es mit dem Halfterstrick regiert. Nun geht es wie toll davon, und wenn das Pferd anfängt zu ermüden, dann beginnt erst recht der Tschikosch seine Peitsche zu gebrauchen. Das Tier muß von neuem gallopieren, bis es endlich, nachdem es alle seine Künste und Wildheiten ohne jeden Erfolg versucht hat, müde und zahm wird und es zum Schluß der Tschikosch ruhig nach dem Markte zurückreitet, wo dann der Handel abgeschlossen wird." Heute, wo die Steppe zum größten Teile angebaut ist, die Herden nicht mehr frei umherschweifen können, sondern ihre bestimmt abgegrenzten Weideplätze in der Nähe der menschlichen Siedlungen haben, hat die Stellung der Hirten natürlich sehr an Bedeutung verloren Mit der Romantik des Hirtenlebens ist es vorbei. Bewohner. Die Ungarischen Ebenen sind der Hauptsitz der Madjaren oder Ungarn. Namentlich im mittleren Teile, zwischen Donau und Theiß und über diese hinaus, sitzen sie in geschlossenen Massen. In den Grenzgebieten, aber auch in inselartigen Bezirken des Innern, wohnen andre Völker: Deutsche, namentlich im W. und S., Slowaken im N.-W., Slowenen im S.-W., Serben im S.-O., Ruthenen im N.-O. Außerdem gibt es in Ungarn zahl- reiche Juden und Zigeuner. Das Tiefland ist seit der Völkerwanderung wiederholt von Hirtenvölkern in Besitz genommen worden. Zuerst kamen die Hunnen, die hier im 5. Jahrhundert unter Attila ein mächtiges Reich gründeten. Nach ihrem Rückzüge wurde, um nur die Hauptvölker zu nennen, das Land von den Awaren besetzt. Ihnen folgten im 9. Jahrhundert die Madjaren. Sie sind ein den Finnen verwandtes mongolisches Volk und kamen wahr- scheinlich aus den Gegenden an der mittleren Wolga. Von ihrer neuen Heimat aus setzten sie dann Jahrzehnte lang durch ihre verheerenden Raubzüge ganz Westeuropa in Schrecken, bis sie 955 von Otto dem Großen auf dem Lechfelde entscheidend geschlagen wurden. In
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