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1. Europa - S. 113

1909 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
113 bemüht oder nicht, was kommen soll, kommt doch. „Allah hat's so bestimmt", damit fügt sich der Türke in stummer Ergebung in alles, was ihn trifft. Anderseits hat dieser Schicksalsglaube aber auch dazu beigetragen, jenen Mut und jene Todesverachtung zu erzeugen, die türkische Heere so oft bewiesen haben. Aus dem Mangel an Tatkraft erklärt es sich auch, daß die meisten Türken arm sind. Zu Geldgeschäften taugen sie gar nicht. Ihre Hauptbeschäftigung sind Ackerbau und Viehzucht. In der Kleidung, die bei Männern und Frauen fast gleich ist, liebt der Türke bunte, grelle Farben. Man trägt weite, faltenreiche Beinkleider, die unten geschlossen und über den Hüften mit einem Gürtel befestigt sind, eine westenartige Seiden- oder Baum- wollenjacke mit einer offenen Jacke darüber und auf dem Kopfe einen Turban, eine rote, mit einem Wolltuch vielfach umschlungene Mütze. In neuerer Zeit ist der Fes, ein rotes Mützchen ohne Schirm, mehr in Gebrauch gekommen. Beim Ausgehen trägt man einen weiten Überwurfsmantel, die Frauen bedecken außerdem ihr Gesicht mit einem dichten Schleier. Bei den vornehmeren Ständen wird jedoch immer mehr europäische Tracht üblich. Im Essen und Trinken ist der Türke meist sehr mäßig. Der Genuß des Weines ist durch die Religion streng verboten. Viele unter den Vornehmen aber setzen sich über das Gebot hinweg und nehmen überhaupt europäische Sitten an. Sehr beliebte Genüsse sind das Kaffeetrinken und Tabakrauchen. Überall sieht man Kaffeehäuser und in den größeren Städten auch umherziehende Kaffeewagen. Ein steter Begleiter des Türken ist seine Pfeife. Mit Pfeife und Kaffee wird jeder Besuch empfangen. In Gesellschaft wird häufig die Wasserpfeife (Nargileh) geraucht, bei der der heiße Tabaksrauch durch Wasser geleitet und abgekühlt wird. Von einem eigentlichen Familienleben kann bei dem Türken keine Rede sein, weil die Frau eine durchaus untergeordnete Stellung einnimmt. Sie ist dem Manne keine treue Lebensgefährtin, keine Freundin in frohen und trüben Tagen, sondern nur die Dienerin seines Willens und Vergnügens. Sie wohnt abgesondert mit den Kindern in einem besondern Teile des Hauses, dem Harem, den außer dem Hausherrn kein Mann betreten darf. Will sie ausgehen, so muß sie sich mit einem Schleier dicht verhüllen. Dazu kommt die Vielweiberei. Dem Manne sind durch das Gesetz vier rechtmäßige Frauen und eine beliebige Zahl von Nebenfrauen gestattet. Dadurch wird das Haus zu einer Stätte der Eifersucht und oft bitteren Hasses. Doch haben die ärmeren Türken fast durch- weg nur eine Frau, weil sie mehr nicht zu ernähren vermögen. Die Abgeschlossenheit und niedrige Stellung der Frauen hat zur Folge, daß sie ihren Männern nicht helfen, daß sie in deren Geschäften nicht mit tätig sein können, höchstens auf dem Acker. Selbst die Hausgeschäfte überwacht der Mann, der auch die Einkäufe besorgt oder durch einen Diener besorgen läßt. Daher bleiben die Frauen auch in der Bildung zurück. Die Mädchen wuchsen früher selbst in den vornehmen Häusern ohne jeden Unterricht auf. Die reiche Türkin rührte keine Hand zur Arbeit, und bei dem Mangel an jeder ernsten Beschäftigung vertrieb sie sich mit ihren Dienerinnen die Zeit, so gut sie konnte, d. h. mit Putz, Tabakrauchen, An-, Aus- und Wiederankleiden, Plaudern, Zuckerwerkessen, Aufputzen der Kinder usw. Doch hat sich in der letzten Zeit eine Wandlung zum Besseren vollzogen. In den von der europäischen Kultur beeinflußten vornehmen Kreisen ist die Stellung der Frau schon eine viel freiere geworden; die Mädchen eignen sich mehr und mehr europäische Bildung an, und es gibt sogar schon türkische Schriftstellerinnen. Das Vorbild der oberen Gesellschafts- schichten wirkt natürlich auch auf die untern Klassen ein, doch vollzieht sich jeder Fortschritt hier viel langsamer. Für die gesellschaftlichen Zustände ist bezeichnend, daß unter den Türken kein Erbadel besteht, daß man überhaupt auf die Abstammung keinen Wert legt, daß man keine Fick, Erdkunde. Iii. Band. o
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