1909 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
145
sandle. Mailand ist darum in erster Linie Handelsstadt, die, wie Turin mit Frank-
reich, den Verkehr mit Deutschland und der Schweiz vermittelt. Bedeutend ist auch seine
Industrie, besonders das Seidengewerbe. Große Bilder- und Büchersammlungen, eine
Sternwarte und eine Akademie zeugen von dem Kunstsinn und wissenschaftlichen Streben
seiner Bewohner. In seinem Äußern zeigt Mailand das Gepräge neuzeitlicher Großstädte
ohne italienische Eigenart. Das hervorragendste Gebäude, der Stolz der Mailänder, ist
der Dom (Abb. 37), nach St. Peter in Rom die größte Kirche Europas, ein Meisterwerk
der italienischen Gotik. Der Riesenbau ist außen und innen mit weißem Marmor über-
kleidet, trägt einen Wald von Türmen und Türmchen und an der Außenseite nicht weniger
als 2000 Bildsäulen. — Mailand blickt auf eine lange und ruhmreiche Geschichte zurück.
Seine Blüte erreichte es im Mittelalter, wo es eine der ersten Handels-, Industrie- und
Geldstädte Europas war und es wagen konnte, dem mächtigen Kaiser Friedrich I. zu trotzen.
Die Bedeutung seiner Lage erhellt aus dem Umstande, daß die Stadt selbst 48 mal belagert,
28 mal erobert worden ist und daß sie sich aus allen Zerstörungen, darunter der gänzlichen
Vernichtung durch Friedrich Barbarossa, immer wieder erhoben hat. Die nähere und
weitere Umgebung aber, die man wohl das Schlachtfeld Südeuropas genannt hat, zählt eine
Menge von Ortschaften, die Zeugen heftiger Völkerkämpfe gewesen sind: Magenta, Pavia,
Legnano. Marignano, Lodi, Solferino u. a.
Mailand gegenüber sind die andern Städte der Lombardei von untergeordneter Be-
deutung. Pavia (35000 E.) am Ticino war einst Hauptstadt des Langobardenreiches.
Am Po Cremöna (38000 E.), berühmt durch seine Geigenfabrikation. Mantua
(28000 E.) am Mincio, in einer durch Sümpfe geschützten Lage, ist die stärkste Festung
Norditaliens. Am Nordrande der Ebene Como (39000 E.) am gleichnamigen See und
Bergamo (48000 E.), beide mit bedeutendem Seidenbau und Seidenindustrie. Noch
weiter ö. Brescia (brescha, 71000 E.), eine gewerbreiche Stadt mit berühmten Waffen-
und Messerfabriken.
c) Benetien, das bis 1866 zu Österreich gehörte, umfaßt den ö. Teil der Ebene
n. vom Po. Hier liegt am Ausgang der Veroneser Klause die starke Festung Verona
(73000 E.), ö. davon Padua (82000 E.), mit einer altberühmten Universität. Die erste
Stadt des Landes ist jedoch das in einer großen Lagune gelegene Venedig (152000 E.).
Schon in römischer Zeit bestand hier auf einigen Inseln eine Ansiedlung von Fischern, die
dann während der Völkerwanderung, als immer neue Barbarenstämme in Italien ein-
brachen, durch flüchtige Küstenbewohner starken Zuzug erhielt. Das Fischereigewerbe
genügte nun nicht mehr zum Unterhalte der Bewohner, und man sing an, Seehandel zu
treiben. Um das Jahr 700 vereinigten sich mehrere der Jnselgemeinden und wählten ein
gemeinsames Oberhaupt, einen Dogen (düdschen) oder Herzog. Die Stadt blühte dann
rasch empor, wozu hauptsächlich drei Umstände beitrugen: die geschützte, unangreifbare
Lage inmitten der Lagune, die in den unsichern Zeiten des Mittelalters von unschätz-
barem Werte war, der vortreffliche, gegen Stürme gesicherte Hafen, der den größten See-
schiffen Zugang gewährte, und die Nähe wichtiger Alpenstraßen, vor allem des Brenners,
die einen leichten Verkehr mit Süddeutschland ermöglichten. Die Blütezeit begann, als sich
infolge der Kreuzzüge ein lebhafter Handel mit dem Morgenlande entwickelte. Venedig
wurde zur ersten Handelsstadt Europas, deren Flotten das Mittelmeer beherrschten. Auch
über die benachbarten Küstenländer und über viele Inseln erstreckte sich seine Macht. Zuletzt
gebot es über ein Reich von 3 Mill. Untertanen; 3000 Schiffe mit 36000 Matrosen be-
fuhren das Meer, und seine Handelsbeziehungen reichten bis nach England und Flandern
auf der einen, bis nach Indien auf der andern Seite. Unermeßliche Reichtümer strömten
in Venedig zusammen; die großen Kaufherren, die zugleich als Nobili die Regierung in
Fick. Erdkunde. Iii. Band. 10