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1. Europa - S. 295

1909 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
295 in überseeische Länder (aus D. 32000); 145000 gingen in die Vereinigten Staaten, die andern in die britischen Kolonien, in denen im ganzen etwa Io Mill. Engländer ansässig sind. Die Volksart. Die Engländer sind ein Volk von ausgeprägter Eigenart. Ihr Äußeres, der schlanke und kräftige Körperbau, die weiße und zarte Haut, das hellblonde oder braune Haar und die blauen Augen verraten die germanische Abstammung. Doch findet man, namentlich unter den niederen Ständen, auch viele schwarzhaarige und dunkel- äugige Gestalten, deren Ahnen vielleicht der vorkeltischen Urbevölkerung angehörten. Manche lobenswerten Eigenschaften zeichnen den Engländer aus. Er hat einen ausgeprägten Familiensinn und liebt es deshalb, möglichst allein in einem Hause zu wohnen, das er sehr behaglich einzurichten versteht. Ein Wirtshausleben wie in andern Ländern Europas ist in England fast unbekannt. Selbst in London werden die Wirtschaften um Mitternacht geschlossen. Von großem Einfluß auf das Leben des Engländers ist die Religion. Der Sonntag wird streng heilig gehalten. Alle Geschäfte ruhen, der Verkehr wird eingeschränkt, kein Brief, keine gewöhnliche Depesche ausgetragen, die Gasthäuser sind nur von 1—3 und von 6—11 Uhr geöffnet. Keine Theatervorstellung, kein öffentliches Konzert, keine Volks- belustigung findet statt. Das Gesetz gestattet nicht, daß irgend ein Mensch am Sonntag gehalten sein soll, zu arbeiten. Auch die Mahlzeiten der herrschaftlichen Familien werden eingeschränkt, so daß die Dienstboten wenigstens den Nachmittag und Abend frei haben. Der Morgen gehört dem Kirchenbesuch; am Nachmittage aber ergeht sich alles in der freien Natur und sucht dort Erholung und Erquickung. Deshalb ist auch der „blaue Montag" in England eine unbekannte Erscheinung. Der religiöse Sinn offenbart sich auch in den großartigen Veranstaltungen der christlichen Liebestätigkeit, in den gewaltigen Aufwendungen für die Heidenmission und die Bibelverbreitung. Ein großer Freund ist der Engländer von allen körperlichen Übungen. Bewegungsspiele aller Art, Fußball, Tennis, Krocket, Wettrudern, Boxen, bei den Reicheren Wettrennen und Jagden zu Pferde werden mit Leiden- schaftlichkeit getrieben, und nicht zum wenigsten diesen Übungen verdankt England sein kräftiges Volkstum. Die Engländer sind ferner ein sehr freiheitlich gesinntes Volk. Von allen Staaten Europas hat England zuerst eine Verfassung erhalten. Im öffentlichen Leben kann sich jeder frei von Polizeivorschriften bewegen. „In England ist alles erlaubt, was nicht geradezu verboten ist, und verboten ist sehr wenig." Daneben aber ist dem Engländer ein starker Sinn für Ordnung und Gesetz eigen. „Er sieht das Gesetz nicht als ein fremdes Joch an, sondern als das Recht und die Ordnung, die er sich selbst bestimmt hat. Daher geschieht es denn auch, daß die Engländer mit den hohen und niedern Vertretern des Gesetzes auf einem durchaus freundschaftlichen Fuße stehen." Ein hervor- ragender Zug im Wesen des englischen Volkes ist sein praktischer Sinn, seine Arbeits- freudigkeit und Tatkraft und seine Unternehmungslust. Diesen Eigenschaften verdankt England, abgesehen von den günstigen Naturbedingungen, die Höhe seiner wirt- schaftlichen Entwicklung, seinen ausgedehnten Handel, die Erwerbung seiner Kolonien. Aber neben diesen lobenswerten Eigenschaften hat das englische Volk auch manche unangenehmen Seiten. Sein berechtigter Nationalstolz zeigt sich häufig als Hochmut und Rücksichtslosigkeit gegenüber Angehörigen andrer Völker. Sein Erwerbstrieb artet häufig in Selbstsucht und Habgier aus. Im politischen Leben hat sich England sehr oft, wenn sein Nutzen in Betracht kam, sehr unzuverlässig gezeigt, so daß man sprich- wörtlich vom „perfiden Albion" redet. Im gesellschaftlichen Leben bestehen die schärfsten Klassenunterschiede, der größte Reichtum neben der bittersten Armut. Die vornehme eng- lische Welt, die von ihrer Rente leben kann, so äußert sich Peters einmal, ist zu einer Gesellschaft von Nichtstuern geworden, die nur ihrem Vergnügen lebt und moralisch und körperlich zugrunde gehen würde, wenn sie nicht der eifrig betriebene Sport aufrecht hielte.
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