1913 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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sanft ansteigender Kegel erhebt sich der Hauptgipfel aus eiuer 1800 in hohen
Ebene, durch sein Riesenmaß einen mächtigen Eindruck hervorrufend. Eine
Schnee- und Eiskappe, die aber erst bei 4000 m beginnt, krönt ihn. Im
übrigen bilden seine Abhänge eine öde Steinwüste ohne den Schmuck grüner
Wälder und frischer Matten. Armenien ist das Ursprungsland großer Flüsse,
der mesopotamischen Zwillingsströme En ph rat und Tigris und der Kura und
des Aras, die nach O. zum Kaspischeu Meere gehen. Außerdem besitzt Armenien
zahlreiche Seen, darunter als größte den Wan- und den Urmiasee, von denen
jeder etwa die siebenfache Größe des Bodensees hat.
Klima und Pflanzenwelt. Als meerfernes Hochland hat Armenien ein fest-
ländisches Klima mit wenigstens am Tage heißen Sommern und sehr kalten Wintern.
Beträgt doch in Kars das Januarmittel 140 unter Null. Die Niederschläge sind im all-
gemeinen gering, besonders im Sommer, und werden hauptsächlich von den Randgebirgen
aufgefangen. Doch fällt im Winter viel Schnee, der bis tief in den Frühling hinein liegen
bleibt und die Pässe ungangbar macht. Bei der Regenarmut und der hohen Lage des
Landes ist die Pflanzenwelt natürlich sehr dürftig. „Alle Hochländer sind kahl und fast
baumlos. Der Boden besteht weithin aus schwarzer Lava und grauen Tuffen, bietet aber
doch, wo er genügend bewässert wird, dem Ackerbau eine Stätte. In andern Teilen tritt
die düstere Lava zurück, aber die Hochebene bleibt eine Steppenlandschaft mit fahlen,
bleichen, in Graugelb und Graugrün getauchten Farben, übersät von Gefteinstrümmern,
überdeckt mit Schutt und durchzogen von Schluchten. Erst an den Rändern gegen das
Kaspische und das Schwarze Meer wird das Bild freundlicher, und sobald man die Küsten-
ketten überschritten hat, tritt feuchter Wald an die Stelle der dürren Steppe" (Sievers).
Auch die tiefeingeschnittenen und darum geschützten Täler sind frisch und grün. In ihnen
gedeiht sogar vorzügliches Obst, und die Aprikose hat hier ihre Heimat.
Tie Bevölkerung besteht etwa zur Hälfte aus christlichen Armeniern,
zu einem Viertel aus Kurden; den Rest bilden Tataren, Russen, Türken usw.
Die Armenier gehören zu den Jndogermanen. Sie sind hochgewachsene und kräftige
Gestalten mit großer Adlernase, reichem schwarzen Haar- und Bartwuchs und großen,
schwarzen Augen. Schon früh haben sie das Christentum angenommen und trotz aller
Bedrängnis durch den Islam festgehalten. Sie bilden eine eigene Kirche mit einem Patri-
ärchen an der Spitze, der im Kloster Etfchmiadsin wohnt. Da sie aber, ähnlich wie die
Abessinier (S. 58), lange Zeit von der übrigen Christenheit abgeschlossen waren, ist ihr Glaube
stark ausgeartet. Die Armenier sind ein geistig hochstehendes, friedliches, fleißiges und
strebsames Volk. In ihrer Heimat treiben sie vorwiegend Ackerbau und Viehzucht, doch
auch Handel. Oft sind sie furchtbaren Verfolgungen durch die Türken und Kurden ausge-
setzt gewesen. Bei den Metzeleien in den Jahren 1895 und 96 sollen 200—250000 ihr
Leben eingebüßt haben. Die Bedrückungen haben viele zur Auswanderung veranlaßt, und
man findet Armenier jetzt in ganz Vorderasien und Südosteuropa, besonders in den
Handelsstädten, wo sie als Kaufleute, Bankiers. Makler, Dolmetscher, wozu sie ihre hohe
Sprachbegabung besonders geeignet macht, als Handwerker, Diener und Lastträger leben. Ihr
Charakter ist nicht frei von großen Fehlern. Insbesondere artet ihr zäher Erwerbssinn
oft aus. Die armenischen Kaufleute nehmen es an Schlauheit und Geriebenheit mit den
Griechen auf (S. 91) und sind als Betrüger und listige Wucherer überall verrufen und
gefürchtet. Die Gesamtzahl der Armenier schätzt man 2lji—d Millionen. Die Kurden