1913 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Fick, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): Lehrerbildungseinrichtungen
- Schulformen (OPAC): Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Bedeutung. Kiautschou nimmt unter den Schutzgebieten Deutschlands eine
Sonderstellung ein. Bei seinem geringen Umfang wird sein wirtschaftlicher
Eigenwert stets gering bleiben. Seine Bedeutung liegt auf andern Gebieten.
Zunächst bildet es einen Stützpunkt für uusre Flotte. Infolge unsers
gewaltig entwickelten Handels befindet sich stets eine größere Zahl deutscher
Kauffahrteischiffe in den chinesischen und japanischen Gewässern, und zum Schutze
uusrer Volksangehörigen in Ostasien ist es nötig, daß dort auch einige Kriegs-
schiffe dauernd Ausenthalt nehmen. Für beide ist es aber außerordentlich
wichtig, daß wir dort einen eignen Hafen besitzen, in dem sie anlausen können,
um Schäden ausbessern zu lassen und sich mit Lebensmitteln und Kohle» zu
versorgen und in dem sie in Zeiten kriegerischer Verwicklungen Unterschlupf
und Schutz finden. Daher ist auch die Verwaltung des Schutzgebietes nicht
dem Reichskolonial-, sondern dem Reichsmarineamt unterstellt, der Gouverneur
ist ein höherer Seeoffizier, und der Hafen Tsingtau ist stark befestigt und mit
einem Schwimmdock und Werftanlagen ausgestattet worden. Zum andern soll
Kiautschou ein Stützpunkt für den deutfch-chinesischen Handel sein, eine
Handelskolonie im eigentlichen Sinne des Wortes, deren wirtschaftliche Aufgabe
in der Vermittlung des Güteraustausches zwischen zwei großen Wirtschasts-
gebieten liegt. Für diesen Zweck ist Kiautschou vorzüglich gelegen. Es bildet
das Eingangstor zu der großen, von etwa 30 Mill. bevölkerten Provinz
Schantuug, die zudem reich an Kohlen und Erzen ist, deren Ausbeutung dem
deutschen Unternehmungsgeiste ein weites Feld der Betätiguug darbietet. Daher
wurde denn auch gleich die Schautungbahu angelegt, die in einer Länge von
436 km von Tsingtau über die im neutralen Gebiete liegende Stadt Kiautschou
zur Landeshauptstadt Tfiuanfu am Hoangho führt und eine Zweiglinie in das
wertvolle Kohlengebiet von Poschan entsendet. Die hier lagernde Kohle ist von
ausgezeichneter Beschaffenheit und wird in Zukunft nicht nur den Bedarf der
deutschen Flotte decken, sondern auch die minderwertige japanische, die bisher
hauptsächlich die Küsten Ostasiens versorgte, und die teure englische Kohle
zurückdrängen.
Der Außenhandel hat sich von 1905—1911 verdoppelt und erreichte im letzt-
genannten Jahre den Wert von 130 Mill. Mk. (A. 61, E. 69). Unter den Ausfuhr-
gegenständen stehen an erster Stelle Strohborten (für 13 Mill. Mk.), Erdnüsse (10),
Erdnuß- und Bohnenöl (7,2), Pongecs, eine Art Seitengewebe (5,7), Seide (4), Baum-
wolle (3,5), Kohle (1,6), unter den Einfuhrgegenständen Baumwollgarn (17,5), Baum-
wollwaren (13,6), Papier (8), Erdöl (5,3), Anilinfarben (3,3), Metalle (3), Zündhölzer (2,7),
Zucker (2,5).
Siedlungen. Die Hauptstadt Tsingtau (40000 E.) liegt an der Ostseite der Ein-
fahrt zur Kiautschoubucht. Zur Zeit der Erwerbung stand hier ein elendes, schmutziges
Chinesendorf. Jetzt ist Tsingtau ein stattlicher Ort, der aus 2 getrennten Teilen besteht,
der Europäer- und der Chinesenstadt. Jene ist ganz neuzeitlich gebaut, hat breite, schattige
Straßen, hervorragende Gebäude, elektrisches Licht und Wasserleitung. Die Haseneinrich-