1876 -
Dresden
: Schönfeld
- Autor: Ruge, Sophus
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Realschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Handelsschule, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerika.
Heilkräfte entwickelt, der Mahagonybaum sein kostbares Holz webt,
der Cacao und Mais ihr Vaterland besitzen, hier ist auch das Pa-
radies jener Orchideen (200 Arten), die fast mehr als alles übrige
dazu beigetragen haben, die Forschung Europas hierher zu lenken und
die geheimnisvollen Urwälder zu erschließen." Hier wird die Maguay-
Agave angebaut, deren Saft den berauschenden Pulquewein gibt. Nach
seinem Klima zerfällt Mexiko in drei Pflanzenzonen. Die erste, tisrra
ealwnts, reicht von der Küste bis zu 1000 m. Höhe. Hier bilden
Palmen, Akazien, Wollbäume und Mimosen dichte Wälder. Hier ge-
deihen Baumwolle, Indigo, Zuckerrohr, Kaffee. Die zweite
Region, tierra templada, reicht bis 2500 m. Styrax- und Terpentin-
bäume, baumartige Farren, Lorbeer, Myrten und Magnolien bilden
den Waldbestand. Dazwischen sind die Fruchtgelände mit Mais, Süd-
früchten und Obst bedeckt. Die dritte Region, tierra ina, reicht bis
zur Schneegrenze (4500 m.). In einem gemäßigten (europäischen)
Klima baut man Getreide, europäisches Obst und Kartoffeln. — West-
indien hat eine ähnliche Pflanzenwelt. Für ganz Europa sind die
Inseln besonders wichtig durch die Colonialprodukte: Tabak, Kaffee,
Zucker. Die^ kleinen Antillen verdienen den Namen Zuckerinseln,
während die großen Antillen, namentlich Cuba, außerdem den besten
Tabak liefern.
§ 419. 6. Das chpiße Südamerika. „Wenn ein aus Europa
kommender Reisender zum erstenmal die Wälder Südamerikas betritt,
sagt Humboldts so hat er ein ganz unerwartetes Naturbild. Bei jedem
Schritte fühlt er, daß er auf einem gewaltigen Continent, wo alles
riesenhaft ist, Berge, Ströme und Pflanzenmassen. Er weiß nicht zu
sagen, was mehr sein Staunen erregt, die feierliche Stille der Ein-
samkeit, oder die Schönheit der einzelnen Gestalten, oder ihre Kraft
und Fülle. Es ist, als hätte der mit Gewächsen überladene Boden
gar nicht Raum genug zu ihrer Entwicklung. Unter dem dichten, dun-
kelgrünen Laube herrscht beständig ein Dunkel, weit tiefer als in unfern
Wäldern. Wenn man die Bergthäler von Caracas mit ihren Fluren
von Zuckerrohr, Cacao und Tabak zurückläßt, so ruht der Blick im
Süden auf Steppen (Llanos), die, scheinbar ansteigend, in schwindender
Ferne den Horizont begrenzen. Aus der üppigen Fülle des organischen
Lebens tritt der Wanderer betroffen an den öden Rand einer baum-
losen, pflanzenarmen Wüste. Kein Hügel, keine Klippe erhebt sich
inselförmig in dem unermeßlichen Raume. Die Llanos sind in der
Regenzeit schön begrünt, aber in der trockensten Jahreszeit bekommen
sie das Ansehen von Wüsten. Das Kraut zerfällt in Staub, der Bo-
den berstet, das Krokodil und die großen Schlangen liegen im ausge-
dörrten Schlamm, bis die ersten Regengüsse im Frühjahr sie aus der
langen Erstarrung wecken. Gegen Süden umgibt die Steppe eine
schaudervolle Wildnis. Tausendjährige Wälder, ein undurchdringliches
Dickicht erfüllen den feuchten Erdstrich des Amazonenstromes." Der
Tropenwald übt auf das Gemüth eine ähnliche Wirkung wie der
Ocean; daher zeigen auch die indianische Waldvölkern einen ernsten,
verschlossenen Charakter. Eine Waldlandschaft in Europa hat ihr