1876 -
Dresden
: Schönfeld
- Autor: Ruge, Sophus
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Realschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Handelsschule, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Amerika.
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Frühlings-, Sommer-, Herbst- u. Winterkleid; die Wälder der Aequa-
torialgegenden behalten das ganze Jahr fast unverändert dasselbe An-
sehen. 'Wenige Bäume verlieren ihr Laub.
Und nun die merkwürdigsten Pflanzenformen dieser Zone. In
den Küstengebirgen von Caracas und am Amazonenstrom wächst der
Kuh bäum, eine Art Feigenbaum. Macht man Einschnitte in den
Stamvl, so fließt sehr reichlich eine klebrige, ziemlich dicke Milch heraus,
die sehr angenehm wie Balsam riecht. Man ißt sie mit Brod oder
trinkt sie zum Kaffee. Verdickt gibt sie einen festen Leim. Unter den
Fruchtbäumen steht der Pisang oben an, seine mehlreichen, gurken-
artigen Früchte dienen geröstet als Brod. Der Melonenbaum hat
seinen Namen von der melonenarrigen Frucht, welche mit Zucker ge-
nossen ein angenehmes Fleisch gibt; der Flaschen- oder Calabas-
senbaum wurde so benannt, weil die kürbisartigen Fruchthüllen Ge-
fäße liefern. Die Batate, die süße Kartoffel, Panis, Cassave
sind der neuen Welt ursprünglich eigenthümlich, außerdem sind zu
nennen die Aguacate, eine der beliebtesten Obstarten in Form einer
Tafelbirne, und der Mandelbaum oder die Juvia, welche die be-
kannten dreieckigen amerikanischen mandelartigen Nüsse liefert. Vor
allem ist aber Brasilien berühmt als das Land der Palmen. Von 600
Arten sind ihm 270 eigenthümlich. Viele von ihnen bergen einen
bisher noch nicht gehobenen Reichthum an Oel. Die ,,Jupatipalme
ist so ölreich, daß selbst ihre 12—16 m. langen Blätter als Fackeln
benutzt werden." — Die Kraft ünd Fülle theilt sich nicht bloß den
Bäumen, sondern auch den Gräsern, den Sumpf- und Wasserpflanzen
mit. Das herrliche Bild eines Wiesengrundes und eines mit Blumen
durchwirkten Rasens ist den niederen Landstrichen der heißen Zone fast
ganz fremd. Hier schießen die saftigen Gewächse 2—3 m. hoch auf
und darüber wiegen sich im leisesten Luftzuge die baumartigen Bam-
busgrüser, welche über den Pfaden an Flußufern so hoch zusammen-
schlagen, daß man bequem unter diesen Halmen fortreiten kann. Solche
colossale Grasstengel, die von Knoten zu Knoten über 5—6 in. lange
Glieder haben, dienen den Indianern als Blasrohre. Das riesenhafte
überträgt sich auch auf die Wasserpflanzen. Im Jahre 1837 entdeckte
der Reisende R. Schomburgk auf den Flüssen der Guyana die schönste
und riesigste Wasserrose der ganzen Welt, die Victoria regia, von
den Indianern Prupö d. h. Wasserteller genannt. Unter den Gewäch-
sen der Urwälder, welche den westlichen Abhang der Anden bekleiden,
sind besonders wichtig geworden der Chinabaum (zwischen 19o S.
und 10 0 N.) in einer Höhe von 1600 bis 2400 in. ü. M. und die
Coca, ein 2 m. hoher Strauch, dessen Blätter gekaut werden, und
den Indianern als anregendes Mittel dienen, wie Thee, Kaffee oder
auch wie Tabak und Opium.
7. Das gemäßigte Südamerika wird wie das nördliche Ge-
biet durch die Anden in 2 Gruppen getheilt. Chile, dessen Flora am
meisten an die Mittelmeerländer erinnert, ist die Heimat unserer
Kartoffel und der Araucarie, einer eigenthümlichen Form der Nadel-
hölzer, deren mandelgroße Samen ein sehr gesuchtes Nahrungsmittel