1876 -
Dresden
: Schönfeld
- Autor: Ruge, Sophus
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Realschule, Fortbildungsschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Handelsschule, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Amerà.
thiere. Die unermeßliche Wälderregion am Amazonenstrom hat auf
die Thierwelt bestimmend eingewirkt. Wie in Australien alles Beutel-
thier, ist hier alles Kletterthier. Was nicht klettern kann, geht unter;
daher ist dieses Gebiet arm an Thieren, die auf der Erde leben. Hier
klettern sogar Palmen u. werden zu Lianen. Alle Affen sind Kletterer,
die Hühnerarten haben eine besondere Zehenstellung, Bären haben
Wickelschwänze. Der Puma oder amerik. Löwe und die Unze (Onze)
oder der brasilianische Tiger erinnern an die verwandten Geschlechter
der alten Welt, der kleine Oncelot vertritt unfern Luchs. Agutis,
Meerschweinchen, Wasserschweine beleben die Wildnis. Nur in den
Wäldern erscheinen die abenteuerlichen Gestalten der Faulthiere; neben
ihnen Hausen die Pekari oder Nabelschweine im Dickicht u. die Tapire
(auch schon in Mexiko) in den Sümpfen, während in den Lichtungen
flinke Gürtelthiere den Boden unterwühlen und Ameisenfresser mit
starken Krallen die Termitenhäuser erbrechen. In keinem Lande der
Welt ist die Vogel Welt so ausgezeichnet durch Gestalt, Farbe, Stimme
u. Anzahl als hier. Ueber den Anden schwebt der Condor, über der
Ebene der Geierkönig. Ueberaus zahlreich sind die Singvögel, die
metallisch glänzenden Colibris und buntfarbigen Papageien. Falsch ist
die allgemeine Ansicht, daß die tropischen Vögel, in Verhältnis zu
ihrem glänzenden Gefieder, des Gesanges entbehren müssen. Es finden
sich hier viele kleine schöne Vögel, welche treffliche Sänger sind. Im
bescheidenen zimmtbraunen Kleide singt im dichten Urwalde der Orga-
nista sein bezaubernd schönes Lied. Ferner leben in den Wäldern die
Pseffersresser oder Tukan, in den Gebüschen die Jaku- und Hocco-
Hühner, die fasauenartigen Hachahuallpas, die klugen Pauxis, die
Pavas und andere Waldhühner. In den Steppen schweift der ame-
rikanische Strauß, am Wasser fischt der amerikanische Riesenstorch und
der rosenrothe Löffler. Sogar Meerschwalben verirren sich bis hoch
hinauf in die Waldregion. Unter den formenreichen Reptilien fallen
die riesigen Süßwasserschildkröten, Alligatoren und Kaimane zuerst ins
Auge. Eidechsen mit Hautkämmen auf dem Rücken oder mit gehörn-
ter Stirn, der abenteuerliche 1 m. lange Basilisk; Wasser- u. Riesen-
schlangen, Korallenschlangen und prachtvoll gefärbte Baumschlangen.
Der Biß der braunen Viper (25 am. lang) tödtet unfehlbar nach 2—3
Minuten; Wabenkröten, Horn- und Panzerfrösche sind die bemerkens-
werthesten Gestalten. Der Naturforscher Agassiz fand 1865 im Ama-
zonenstrom 1163 neue Arten Fische (bisher waren nur 120 Arten
bekannt). Die Zahl der Insekten ist ungeheuer, ebenso die der bunt-
farbigen Spinnen. An Größe lassen sich ihnen nur die Formen der
Sundainseln vergleichen. In einem Umkreise von 1 Stunde sammelte
der Naturforscher Bates bei Para 700 Arten Schmetterlinge. Me-
tallisch gefärbte Käfer im buntesten Glanz, riesige Heuschrecken, der
fabelhafte Laternenträger, Nachtschmetterlinge von der Größe einer
Fledermaus, Vogelspinnen, Termiten, Tausendfüße und Skorpione
charakterisiren diese kleine Thierwelt. Die Saüba-Ameise ist in manchen
Gegenden so häufig, daß sie den Ackerbau fast unmöglich macht. Zecken
u. Antanas bohren sich in die Haut u. erregen empfindliche Geschwüre.