1911 -
Leipzig
: List & von Bressensdorf
- Autor: Sievert, August, Harms, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Hilfsbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
§100 Die Alpen. 102
Nachdem wir nun nnser Vaterland kennen gelernt haben, wollen wir nns mit zwei süd-
lief)en Nachbarländern beschäftigen, die zu großen Teilen von Deutschen bewohnt
werden; es sind Österreich - Ungarn und die Schweiz. Die Deutschen bewohnen vor allen
Dingen das gewaltige Gebirge, das sich durch diese beiden Länder hindurchzieht, die Alpen.
Deshalb wollen wir dieses herrliche Hochgebirge zunächst für sich allein im Zusammenhang
betrachten.
Die Alpen.
1. Allgemeines über die Alpen.
§ 100 i. Lage und Gliederung. Karte von Europa: Die Alpen ziehen in einem Bogen
vom Mittelländischen Meer nach Osten bis an eine große Tiefebene (Ungarische
Tiefebene). Dabei umsäumen sie die südlich von ihnen gelegene Po-Ebene.
Sie haben die Form eines von einer fahrenden Lokomotive ausgestoßenen Rauches.
Der Junenraud gehört mit einem schmalen Saum zu Italien; mit ihrer Haupt-
masse durchziehen sie Frankreich, die Schweiz und Osterreich. Wir wollen
sie deshalb auch einteilen in die Französischen, Schweizer und Osterreichi-
scheu Alpen*. Wie die Alpen entstanden und daß sie ein Faltengebirge
sind, lernten wir bereits (§ 8). Im allgemeinen bildeten sich drei große Falten,
eine hohe Mittelfalte und zwei Nebenfalten. Diese drei Falten werden durch
zwei lange Täler voneinander getrennt. Besonders gut erkennen wir das in den
Osterreichischen Alpen (Ostalpen). In dem nördlichen Längstal fließt hier die
Salz ach bis zu ihrem Knie, ebenso weiter östlich ein ähnlich verlaufender Fluß
(Euns) bis zu seinem Knie, ebenso eine Strecke des Inn (die Strecke, an der die
Stadt Innsbruck liegt). Ju dem südlichen Längstal fließen die Drau und die
obere Strecke der Etsch. Zu der nördlichen Neben- oder Vorfalte gehören die
Bayrischen Alpen, die wir bereits kennen. Beide Nebenfalten bestehen
zum größten Teil aus Kalkstein und sind wild zerrissen, wie wir das bereits bei
den Bayrischen Alpen sahen.
2. Der Einfluß der Verwitterung. Die Alpen sehen nun heute keineswegs
mehr so aus wie bei ihrer ersten Faltung. Ein gewaltiger Bildhauer hat seitdem
au ihnen jahrtausendelang gearbeitet. Er hat sie vielfach zerteilt, hat große
Täler für die Flüsse in sie hineingemeißelt und hat sie dadurch in viele Einzel-
blöcke gegliedert. Er hat diese Blöcke dann im einzelnen wundervoll modelliert,
hat Spitzen und Kuppen auf ihnen herausgearbeitet, hat an ihren Hängen
Bachläufe eingemeißelt und hat tiefe Narben und Furchen in sie eingegraben.
Und obgleich er so an allen Blöcken arbeitete, hat er sie doch alle verschieden
gestaltet, so daß es eine Lust ist, sie alle zu besehen und zu studieren. Dieser große
Bildhauer heißt — Verwitterung, und seine beiden Hauptgesellen sind der
Frost und das Wasser. (Wie zersprengt der Frost die Felsen?) Was der Frost
absprengte und zermürbte, bis es Steine und Erde (Schutt) war, das trug das
Wasser ^ hinab in die benachbarten Ebenen. Die ganze Süddeutsche Hoch-
ebene besteht aus Alpenschutt, ebenso die Po-Ebene llombardische Tief-
1 Die wissenschaftliche Zweiteilung kann hier unberücksichtigt bleiben.
2 Und die Gletscher; darüber später bei § 102.