1896 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Gockisch, Paul, Seydlitz, Ernst von
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Das westelbische Tiefland.
Xi. Pas norddeutsche Kiefland.
Das norddeutsche Tiefland ist ein Teil des großen n.-europäischen
Tieflandes, das von den Pyrenäen bis an den Ural reicht und s. vou diesem
Gebirge mit den weiten kaspischen und sibirischen Flächen zusammenhängt.
Es nimmt etwa die Hälfte unseres Reiches ein und geht im O. in das
russische, im W. in das holländisch-belgische, bezw. französische Tiefland über.
Unser Tiefland war ehedem vom Meere überflutet und wurde nach dessen Zurück-
weichen in der Eiszeit von skandinavischen Gletschern bedeckt, die über den
heutzutage von der Ostsee eingenommenen Raum bis hierher sich ausdehnten.
Diese Gletscher hinterließen ihre Spuren u. a. iu den „nordischen Ge-
schieben", d. h. den massenhaften Sand- und Lehmschichten und vor allem
den zahllosen Findlings- oder erratischen Blocken unseres Nordens. Das
ganze Tiefland zerfällt in einen größeren ö. und in einen kleineren w.
Teil. Als Grenze zwischen beiden gilt die Elbe. Nach der Lage zu diesem
Flusse unterscheidet man das West- und das ostelbische Tieslaud.
A. Das westelbische Tiefland
ist eine gleichförmig flache Ebene, die im O. zu dem niedrigen Höhenrücken
der Lüneburg er Heide aufsteigt und au der Küste den Meeresspiegel
kaum überragt. Wir unterscheiden:
a) Die Nordseeküste mit ihren Inseln und Marschen. Die deutsche Nord-
seeküste, durch die Gezeiten fortwährend umgebildet, ist eine Flachküste. Daher
wird zur Zeit der Ebbe der Meeresgrund auf eine weite Strecke hin ganz oder
teilweise trocken gelegt. Diese seichten, täglich zweimal vom Meere verlassenen
Stellen heißen Watten. Menschliche Thätigkeit sucht durch Deiche*) die Dünen
zu ersetzen, die der deutscheu Nordseeküste gänzlich mangeln. Man bestrebt sich
auch, die schlaimuigen Watten und die vom Meere und den Flüssen augeschwemmten
äußerst fruchtbaren Marschen**) dem Wasser abzugewinnen und verwandelt sie
durch Eindeichen iu reiche Fluren, Polder oder Köge genannt. Doch nicht
immer sind die Deiche im stände gewesen, das Meer zurückzuhalten. Sturmfluten
haben ganze Landstriche verschlungen. Auf diese Weise siud der Dollart und
der Jadebusen entstanden.
Niedrige Inseln begleiten den flachen Küstensaum; w. von der Elbmündung
liegen die oft friesischen und n. von derselben die nord friesischen Inseln.
Dieselben sind meist Trümmer ehemaligen Festlandes, flach, baumarm und nur
teilweise anbaufähig. Einige vou ihnen, wie Norderney au der hannöverscheu
und Sylt an der schleswig-Holsteinischeu Küste, sind besuchte Seebäder. Die
meisten besitzen Dünen; die kleinen, nicht eiugedeichteu Halligeu werden von
Sturmfluten überschwemmt, aber doch fast alle bewohnt. Nur das Felseneiland
Helgoland, wichtig als Stützpunkt unserer Flotte, ragt vor der Elbmündung
mit seinem Buutsaudsteiufelseu 60 in über die See. Aber auch hier hat das
Wasser unablässig genügt bis aus den heutigen Tag.
Weil die Nordseeküste flach ist, so ist sie arm an Häfen. Die bedeutendsten
finden sich hinter den Mündungen der Flüsse. An der Weser, 70 km von der
Mündung entfernt, liegt der Welthandelsplatz Bremen, am Jadebusen das be-
*) S. Bilderanhang S. 179.
**) „Ein goldner Saum am abgeschabten Purpurmantel" der Heide.