1911 -
Leipzig
: Freytag
- Autor: Kretschmer, Karl, Steinecke, Victor Albert G...
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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2. Kaiserreich Rußland.
1. Lage. Das Kaiserreich Rußland hat sich aus einem ursprünglich durchaus
binnenländischen Staate zu einem Weltreiche dadurch entwickelt, daß es nach
allen Seiten hin an das Meer strebte. Dies ist ihm vom Schwarzen Meere bis
zum Eismeer, von der Ostsee bis zum Großen Ozean gelungen, und überall
sucht es sich noch Landmassen anzugliedern. Es hat seine außereuropäischen
Besitzungen unmittelbar an seinen Grenzen und außerhalb der Tropen und
unterscheidet sich dadurch von anderen Kolonialmächten.
2. Größe. An Größe übertrifft es alle Reiche außer dem Britischen, jedoch
an Bewohnerzahl nimmt es nicht die zweite Stelle ein.
Das europäische Rußland bedeckt mehr als die Hälfte von Europa, hat aber
bei einer Volksdichte von nur 20 auf 1 qkm nicht einmal doppelt soviel Einwohner
wie das Deutsche Reich.
3. Grenzen. Natürliche Grenzen hat es nach 0. im Uralgebirge (â), nach So. in
dem schwer zugänglichen und schlecht überschreitbaren Kaukasus und nach S.
in den Vorhöhen des hoch aufragenden und nicht leicht zu überschreitenden
Karpatenzuges. Auch die im W. ausgebreiteten Sümpfe bilden einen großen Teil
des Jahres hindurch eine natürliche Schranke. An den anderen Seiten geht
Rußland, wo nicht Meeresteile und das Kaspische Meer einen Abschluß bilden,
grenzlos in die benachbarten Länder über.
4. Bodenerhebungen. Auch innerhalb des Landes liegen keine durch Boden-
erhebungen veranlaßte Schranken. Fast das ganze Gebiet ist Tiefland, durch-
zogen von niedrigen Bodenschwellen, die teilweise als Fortsetzung des nord-
deutschen Landrückens erscheinen. Die höchsten Erhebungen des Landes weist
die Waldaihöhe (ài) auf; sie erreichen zwar nur 350 m, sind aber Regensammler;
daher ist dieser Landstrich reich an Seen und das Quellgebiet großer Ströme.
Eine von den Karpaten ostwärts ziehende Platte, die Mittelrussische Boden-
schwelle, reicht bis an die Wolga und fällt zu ihr und den anderen südwärts
strömenden Flüssen mit einem steilen ,,Bergufer" ab, dessen mehrere Hundert
Meter hohe Hänge vom Flusse aus den Eindruck eines Gebirges hervorrufen.
Ahnliche, aber noch flachere Landrücken durchziehen Nordrußland. Zum
Uralgebirge steigt das Land sehr allmählich an. Der Ural erreicht bei einer be-
deutenden, alle europäischen Gebirge übertreffenden Länge nur die Höhe unserer
Sudeten und kann an mehreren Stellen bequem von Straßen und Eisenbahnen
überschritten werden, besonders bei Jekaterinburg (ú), wo die Paßhöhe noch nicht
400 m erreicht. Nach 0. fällt er steiler ab, nach N. setzt er sich in mehreren Inseln
fort und nach S. teilt er sich in mehrere Kämme. Steiler und höher ist das Jaila-
gebirge (já), eine westliche Fortsetzung des Kaukasus und mit ihm durch die
im Winter eisbedeckte Straße von Kertsch verbunden.
So ist Rußland besonders nach W. und 0. dem Verkehr geöffnet, dem es
auch im Innern des Landes keine Hindernisse bietet. Da es die bequemste Ver-
bindung mit Asien hat, war und ist es das Durchzugsgebiet der von Asien nach
Europa vordringenden Kriegs- und Handelsunternehmungen, aber auch der
Zwischenträger von Krankheiten, namentlich der Cholera. Anderseits begünstigt
die Bodenform den Ackerbau, besonders im S., wo sich äußerst fruchtbare Ge-
biete befinden.
5. Bewässerung. Die Flüsse kommen bei dem Fehlen von höheren Bergen
Steinecke -Kretschmer, Deutsche Erdkunde. Ii. Teil. 9