1911 -
Leipzig
: Freytag
- Autor: Kretschmer, Karl, Steinecke, Victor Albert G...
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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3. Rechtliche Stellung. Die rechtliche Stellung der Tochterpflanzung zum
Mutterlande ist sehr verschieden. Entweder nimmt man das neue Gebiet in den
sogenannten Schutz des Hauptlandes auf; so waren bei den Römern die sämt-
lichen Kolonien ursprünglich unterworfene Bundesgenossen. Oder man unterwirft
die Besitzung dem Stammlande vollständig, wie wir es mit unseren Kolonien tun,
wenn man es nicht nach englischem Muster vorzieht, ihnen eine gewisse Selb-
ständigkeit zu lassen und sich selbst nur ein Protektorat beziehungsweise eine
Schutzherrschaft zu sichern.
Neuerdings unterscheidet man bei den Kolonien das vollständig unterworfene
Gebiet im engeren Sinne von einer Interessensphäre, d. i. einem weiteren Gebiete,
auf das man sich seinen Einfluß und Erwerbsrechte vorbehält.
4. Deutsche Kolonien. Die deutschen Stämme hat ihr Wandertrieb von
jeher zur Ko Ionisierung getrieben und die Kultur der östlich und nördlich
von Deutschland liegenden Länder ist ein Beweis dafür, wie ernstlich sie in
früheren Jahrhunderten ihre Kultur verbreitet haben. Aber zu einer Kolonisation
in überseeischen Ländern — unter Kolonie versteht man heute fast ausschließlich
überseeische Besitzungen — konnten sie nicht kommen, da sie keine Schiffahrt
betrieben. Zwar hatte die Hansa ihre Handelsplätze jenseits der Ost- und Nord-
see, aber diese gingen in späterer Zeit ebenso verloren wie die venezolanischen
Besitzungen des Hauses Welser.
Es war ein großartiges Unternehmen, als im Kurfürstentum Brandenburg
eine „afrikanische Kompagnie" gegründet wurde ,,zur Verbesserung der Schiffahrt
und des Commercii, als worin die beste Aufnahme eines Landes besteht". Der
Major v. Gröben landete mit zwei Kriegsschiffen an der Goldküste von Guinea
und legte am 1. Januar 1683 auf einem Berge Groß-Friedrichsburg an.
Bald entwickelte sich ein reger Verkehr zwischen der Kolonie und dem
Mutterlande. Schließlich übernahm der Große Kurfürst die Verwaltung der
kolonialen Geschäfte selbst in ähnlicher Weise, wie der belgische König die Ver-
waltung des Kongostaates führte. Er dehnte seine Pläne soweit aus, daß er sogar
eine Niederlassung auf St. Thomas in Westindien erwarb. Aber gegen die eifer-
süchtigen Anfeindungen der Niederländer konnte man die Besitzungen nicht lange
halten und sie wurden daher (im Jahre 1720) an die Holländer verkauft.
Die wirtschaftlich und politisch ungünstigen Verhältnisse des Deutschen
Reiches brachten es mit sich, daß in der späteren Zeit an die Erwerbung von über-
seeischem Besitz nicht gedacht werden konnte. Aber nach der Erstarkung und
Einigung Deutschlands in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts regte
sich das Verlangen in Deutschland, ebenfalls Kolonien zu erwerben, bevor die
ganze Erde unter den Nationen vollständig aufgeteilt wäre. Ein Versuch, die
Samoainseln zu erwerben, wo der deutsche Handel wesentlich beteiligt war,
scheiterte an der Abneigung der Volksvertretung. Bald aber gelang es, dank der
Tatkraft einzelner Forscher, besonders des Grafen Pfeil und von Karl Peters,
kleinere Landesteile in deutschen Besitz zu bringen. So wurden in den beiden
letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts nach und nach Togo, Kamerun,
Deutsch-Südwestafrika, Deutsch-Ostafrika, Kaiser Wilhelms-Land, der Bismarck-
archipel, die Salomoninseln und die Marschallgruppe erworben; zuletzt wurden
Kiautschou von den Chinesen gepachtet, die Karolinen und Marianen von den