1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Wehrhan, Karl, Schulz, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Regionen (OPAC): Rheinland
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
X. Das Siebengebirge.
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Stück Wald erwerben, so groß, als ich umreiten kann, während du beim Mahle sitzest."
Gern gewährte der Kaiser diese Bitte.
Arnold aber hieß heimlich seine Knechte nach dem Vürgelwalde reiten und gebot,
daß sie von Strecke zu Strecke, just so weit voneinander, als ein Pferd ohne Ermüdung
zurücklegen kann, am Waldessaum jeder mit einem Rosse am Zügel sich aufstellten.
Als nun der König sich zu Tisch setzte, schwang sich der Sänger in den Sattel und jagte
im schnellsten Zluge am Waldesrande hin, und wie er zu dem ersten Knechte kam, sprang
er geschwinde vom ermüdeten Rotz und bestieg das frische, das ihm der Knecht bereit
hielt, und so tat er jedesmal, wenn er eine Strecke geritten war. Solcherweise gelang
es ihm, ein gewaltiges Stück Zorst zu umreiten, wie es ein rüstiger Wanderer kaum
in Tagesfrist umgangen hätte.
Oer Kaiser saß noch bei Tische, als Arnold vor ihn trat und meldete, dajz er den
Ritt vollbracht habe. Da meinte der Kaiser, der Sänger sei gar zu bescheiden und
hätte sich noch mehr Zeit nehmen sollen, der Lohn werde nun wohl sehr klein aus-
fallen,' Arnold zuliebe würde er selber gern noch einige Apfel zum Nachtisch verspeist
haben.
Ms aber der Sänger seine List gestand, da mußte ihm Karl zwar den verheißenen
Lohn gewähren, aber er kränkte sich ob seines Lieblings Habsucht und schwieg verstimmt
und traurig. Da kniete der edle Sänger vor ihm nieder, sah ihm voll ins Antlitz und
sprach: „Mein hoher Herr, was grollst du mir? ©, zürne nicht! Nicht mir zum Nutzen
ersann ich die List; nein, keinen Schritt hätt' ich aus Eigensucht getan. Doch sieh, so
weit der Wald sich dehnt von Zier bis Angelsdorf, wohnt armes Volk,' wohl zwanzig
Dörfer sind es, die kein holz zum Brennen haben. Die sollen nun nicht länger darben,
denn für sie umritt ich den Lürgelwald,- so schenk' ich ihnen, was ich mir zum Lohn
für meinen Sang erwarb."
Da leuchtete des Kaisers Antlitz von hoher Kreude, er hob den Knienden auf
und drückte einen Kuß auf seine Stirne. Die beiden blieben treue Freunde, bis der
Tod sie schied, und das Volk bewahrt noch heute in Dankbarkeit ihr Gedächtnis.
(Klee. Nach Simrock.)
X. Das Siebengebirge.
1. Ein Ausflug nach dem Orachenfels. Ein blühender, lachender Znai-
morgen — schimmernde Wölkchen am leuchtenden Atherblau des herrlichen
Krühlingshimmels —, goldener Sonnenschein über der schneeigen Blütenpracht
und dem zarten Laubgrün der bräutlich geschmückten Erde. Welche Lust, auf
schmuckem Schifflein durch die frischgrünen Zluten des Vater Rhein dahin-
zugleiten! „Du Schillern, gelt, das fahrt sich gut in all die Lust hinein?"
trällere ich vor mich hin, mährend ich am Rande des vampfers stehe und in
den wonnigen Lenz hinein träume. Siehe, da grüßen schon aus der Kerne die
noch von einem leichten, bläulichen Nebelschleier umwallten Gipfel des lieb-
lichen Siebengebirges! Wir fahren an der Siegmündung vorüber und gewahren
zu unserer Rechten die Stadt Bonn mit ihrer türmchengeschmückten Rhein-
brücke. Eine Schar lustiger Studenten läßt sich auf dem veck unseres Schiffes
nieder, und bald ertönen bei Hellem Lecherklang ihre fröhlichen Weisen. Ehe
wir's uns versehen, legt der Oampfer am belebten Landungsplatze in
Königswinter an. Unser erster Besuch gilt dem sagenumwobenen
Drachenfels.