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1. Heimatkunde von Ostpreußen - S. 55

1914 - Frankfurt am Main : Diesterweg
Bilder aus Ostpreußens Vergangenheit. 55 waffneten Wachen besetzt. Niemand darf ohne Erlaubnis der Polizei aus noch ein gehen. Oer Besuch verpesteter Ortschaften ist bei Todesstrafe ver- boten, vie vielfach noch ungepflasterten Straßen und Kinnsteine werden vom Schmutz gereinigt, die herrenlosen Hunde vom Scharfrichter und seinen Unechten erschlagen, da man meint, daß ihre langen haare das Pestgift leicht übertragen könnten. Pestärzte und Totengräber werden in Bereitschaft gehalten und das abgelegene Pesthaus, das die tranken aufnehmen soll, instand gesetzt. Doch alle diese Vorkehrungen sind vergeblich, vielleicht war es ein kranker Wanderbursche, der die Pest eingeschleppt hat, ein Kesselflicker oder ein Spiel- mann. Schwarzblau angelaufen und mit Beulen bedeckt, hatte man ihn am Morgen irgendwo in der Stadt aufgefunden. Mit Windeseile verbreitet sich unter den Bürgern der Schreckensruf: „Die Pest ist da!" Bürgermeister und Nat halten Sitzungen ab und besprechen, was zu tun sei. Man läßt das Unglücks- Haus, in welchem die Pestleiche gefunden wurde, vernageln, versieht es mit einem großen, weißen kreuze und verbietet den andern Bewohnern, dasselbe bei Todesstrafe zu verlassen, verängstigt stehen die Bürger auf den Straßen zusammen und frischen die Erinnerungen an die letzterlebte Pestepidemie aus oder besprechen die zu ihren Ohren gekommenen bösen Nachrichten aus dem verpesteten Nachbarorte. Auf Märkten und freien Plätzen brennen mächtige Kaddikhaufen, deren (Hualm die Luft reinigen soll. In den Krämerläden, beim Bäcker und Fleischer, sind Schalen mit Pestessig aufgestellt, welche die Geld- münzen aufnehmen, ehe sie von einer-Hand in die andere gelangen. Zn den überfüllten Kirchen werden besondere Bittgottesdienste abgehalten. Sonst sind alle Zusammenkünfte verboten. Eine unheimliche Stille ist über die ganze Stadt ausgebreitet, in der noch vor kurzem Freude und Lebenslust herrschten. Doch das Unglück läßt sich nicht mehr aufhalten. Die pestfälle mehren sich mit unheimlicher Geschwindigkeit. Bald sind ganze Häuser, ja ganze Straßenzüge ausgestorben, vor dem Tore muß ein besonderer Pestkirchhof angelegt werden, da der alte Gottesacker schon überfüllt ist. Längst hat das Sterbegeläute der Glocken aufgehört, und wenn sich die Schatten der Nacht auf die unglückliche Stadt herniedersenken, dann gehen die Totengräber und Pestkerle ihrem furcht- baren Gewerbe nach. In wachsleinene Mäntel gehüllt, die mit Pestessig getränkt sind, durchsuchen sie die verseuchten Häuser, laden die im Laufe des Tages verstorbenen auf ihre pestkarren und bestatten sie gemeinsam in schnell ausgehobenen Gruben. Einsam und hilflos bleiben die Kranken auf ihrem Schmerzenslager zurück. Niemand darf sich ihnen nähern. Nur der Geistliche reicht ihnen das letzte, heilige Mahl. Erst nachdem die stark gelichteten Reihen der Bevölkerung dem Tode kaum noch eine lohnende Ernte versprechen, läßt dieser die furchtbare Sichel sinken, um an einem andern Orte das Würgen von neuem zu beginnen. 4. tvie Friedrich Wilhelm I. einen adligen Dieb bestrafte. Als Friedrich Wilhelm I. zur Negierung kam, war Ostpreußen durch die Pest furchtbar entvölkert. Namentlich in Litauen lagen weite Landstrecken wüste und unbebaut, da es an Menschen mangelte, den Acker zu bestellen. Oer fürsorg- liche König hat weder den weiten Weg von Berlin nach Ostpreußen noch Arbeit und Kosten gescheut, um das furchtbar verarmte Land wieder in Ordnung zu bringen, viele Millionen Taler hat der sonst so sparsame Negent hingegeben,
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