1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Werhan, Karl, Sahm, Wilhelm
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Mittelschule
- Regionen (OPAC): Ostpreußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
Bilder aus Ostpreußens Vergangenheit. 57
geordnet und zur Ausführung gebracht. Weder an borgen und Mühen noch
an bedeutenden Ausgaben, an Versprechungen oder Belohnungen hat er es
fehlen lassen, um Glück und Leben einer halben Million Menschen sicherzu-
stellen, die nur ihm allein ihre Wohlfahrt und die Mittel zu ihrem Unterhalt
verdanken." ---
6. Aus Herders Jugend. Wo man die bedeutendsten deutschen vichter
erwähnt, da wird auch der Name unseres Landsmannes Johann Gottfried Herder
genannt werden. Venn er steht neben Schiller und Goethe und hat wie sie das
deutsche Volk durch seine Schriften erbaut und belehrt.
vas kleine Städtchen Mohrungen im preußischen Gberlande ist sein Geburts-
ort. vort wurde er im Jahre 1744 als Sohn eines armen Schullehrers, der vorher
Tuchmacher und Küster gewesen war, geboren. Christlicher und frommer Sinn
walteten in seinem Elternhause. Jeder Tag ward in stiller Tätigkeit verlebt
und mit einem geistlichen Liede begonnen und beschlossen. Kaum hatte der
Knabe lesen gelernt, so öffneten ihm die treuen Eltern Bibel und Gesangbuch.
Er las gern darin und prägte sich vermöge seines guten Gedächtnisses manchen
schönen Spruch ein.
ven ersten Unterricht empfing Herder in der Schule seiner Vaterstadt,
ver strenge Rektor Grimm unterwies ihn nebst andern begabten Mitschülern
an schulfreien Nachmittagen in der griechischen und hebräischen Sprache. Herders
Lerneifer wuchs mit jedem Tage. Wo er ging und stand waren Lücher seine
Begleiter. Besonders gerne verweilte'er in dem Paradieswäldchen am Mohrunger
See. vort erkletterte er die Gipfel hoher Bäume, um in dem leisen Gelispel
der Blätter ungestört lesen zu können. Mit seinem Bücherriemen hatte er sich
festgebunden, um nicht herunterzufallen. Selbst bei Tische konnte er nicht
ohne Bücher sein, und wenn er später in Königsberg ein Luch am Kenster liegen
sah, ging er wohl nicht selten in das Haus und bat, es ihm zu leihen. Venn
damals waren die Lücher noch seltener und teurer als heute.
Nach dem Tode des freundlichen Mohrunger Predigers Willamov nahm sich
dessen Nachfolger Trescho des lernbegierigen Knaben an. Dieser schreibt über
den vierjährigen Herder: „Immer fand ich ihn ernst und ganz allein, wenn auch
Kinder der Nachbarschaft in seiner Nähe waren. Laufen, Springen, Schreien
ward ich nie an ihm gewahr. Nie sprach er etwas mit dreister Gebärde, sondern
antwortete meist schüchtern. Seine Stimme war nur halblaut- er blieb tief in
sich verschlossen, und es war ihm nichts zu entlocken, woraus ich ihn für etwas
mehr als ein gewöhnliches Menschenkind hätte halten können."
va Herders Eltern arm waren, so hatte ihn Trescho in sein Haus genommen
und lieh ihn allerlei kleine vienste verrichten. Als eine besondere Gunst erwies
es sich da für Herder, daß er in dem Bücherzimmer seines väterlichen Freundes
schlafen durfte, von seinem geringen Zrühstücksgelde kaufte er Licht und (Di
und studierte insgeheim des Nachts, wenn alles im Hause schlief. So traf ihn
Trescho einst- vom Schlafe übermannt, lag er auf dem veckbette ausgestreckt,
um ihn her eine Menge Bücher, zum Teil aufgeschlagen, auf dem Zutzboden,
in der Mitte das brennende Licht. Trescho durchsah die Bücher, löschte das Licht
aus und ging. 5lm andern Morgen nach einer kurzen Warnung befragt, ob er
fähig sei, die in fremden Sprachen geschriebenen Bücher zu benutzen, ant-
wortete er, dah er sich Mühe gebe, sie zu verstehen. Zwar freute sich Trescho
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