Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Kriegsgeographie - S. 7

1916 - Breslau : Hirt
Ii. Geographische Grundfragen der Kriegsursachen und Kriegsziele. 7 Für Deutschland ist der heutige Grenzverlauf von schweren wirtschaftlichen Nachteilen. Die deutschen Abschnitte des Memel-nnd des Weichsellaufes und die zwischen ihnen liegenden Küstenlande entbehren ihres natürlichen Hinterlandes, wobei die wirtschaftlichen Nachteile, den die nahen Zollschranken verursachen, im unteren Weichselverkehr noch dadurch verstärkt werden, daß der russische Abschnitt des Stromes wohl absichtlich — aus militärischen Grün- den — in nngebändigter Wildheit und Ursprünglichkeit verblieb, wodurch auch das Ergebnis der sorgfältigen Regulierung des Flusses auf deutscher Seite stark beeinträchtigt wurde. So ergeben sich an der deutsch-russischen Grenze gewichtige Reibungsflächen politischer, stra- tegischer und wirtschaftlicher Natur, wobei aber die Hauptnachteile wieder auf deutscher Seite liegen. Daß aber Deutschland kein besonderes Verlangen gehegt hat, diese Unstimmig- keiten zu beseitigen, beweist die Geschichte des 19. Jahrhunderts und erklärt sich wohl zum Teil aus dem Umstände, daß eine solche Austragung nur geschehen kann unter gleichzeitiger Lösung der überaus schwierigen polnischen Frage. Ans alledem erhellt, daß auch die russisch-deutschen Reibungsflächen nicht als erhebliche Ursachen des Kriegsausbruches anzusprechen sind, wenn auch der Hinweis auf die erhoffte Gewinnung der preußischen Ostländer den englischen Diplomaten in Petersburg sicherlich die Arbeit wesentlich erleichtert hat. Aber dieser Erwerb war nur ein untergeordneter Punkt im Programm der äußeren Rußlands Politik Rußlands, deren Hauptziele in der Schaffung eines brauchbaren Zugangs zu S™"3er3euttt den Meeren des Weltverkehrs für die größte Kontinentalmacht Europas bestanden und *teere' bestehen. Dies Streben nach dem Besitz einer eisfreien Küste am Ozean, den „Drang nach einem warmen Meere", hat Rußland bereits nach vier Fronten, nach dem Mittelmeer und der atlantischen Seite, nach dem Stillen und dem Indischen Ozean betätigt, am stärksten in der Richtung auf das Mittelmeer. Hat es doch gegen die Türkei im Verlaufe von zwei Jahr- Hunderten nicht weniger als acht Kriege um den Besitz des Bosporus und der Dardanellen geführt. Der letzte Versuch vor dem gegenwärtigen Kriege, den obenerwähnten Drang zu befriedigen, brachte den Zusammenprall Rußlands mit Japan, das seinem kontinentalen Nachbarn den Weg zum Stillen Ozean wieder — vielleicht für immer — verlegte und dessen Blick von neuem gegen W, ins- besondere gegen Sw, gegen das Goldene Horn, richtete. Das Streben nach dem Besitz der Mittelmeerpforte mußte aber nicht nur einen erneuten Zusammenstoß mit der Hüterin dieses Tores, mit der Türkei, bringen, sondern ihm stand auch das unmittelbare Interesse der Mittelmächte, Deutschlands und der Donaumonarchie, ent- gegen. Denn ihnen wäre dadurch der freie Zugang nach Vorderasien und zum Indischen Ozean verlegt worden, den zu schaffen sie durch den Bau der Anatolischen und der Bagdad- bahn gerade im Begriffe waren. Diese Kreuzung berechtigter mitteleuropäischer Verkehrs- ziele bedeutet für Rußlands Politik einen Widerstand, der weit kräftiger war als der, den die Türkei selbst zu leisten vermochte, und daher mußte es von vornherein der Gelegenheit geneigt sein, sich an einer gemeinsamen Niederkämpfung der Zentralmächte zu beteiligen. Da das Bagdadbahn-Unternehmen, wie wir sehen werden, auch englische Zukuuftsptäne in Vor- derasien zu vereiteln droht, so erweist sich das türkische Staatsgebiet als besonders reich an Reibungs- flächen ernster Art. Maritime Wünsche und Sorgen waren es auch, die für den Eintritt Serbiens, Maritime Montenegros und Italiens in den Krieg eine gewichtige Rolle spielten. Es war voraus- Wünsche zusehen, daß das durch den Balkankrieg zur Größe einer Mittelmacht angewachsene Serbien ®e' das endgültige Ziel seiner Raumpolitik nicht nur in der Ausdehnung über alle serbischen ""negros! ^ Wohngebiete, sondern auch in der Erreichung eines Zuganges zum Mittelmeer sah. Die natürlichen geographischen Verhältnisse weisen Serbien mit voller Klarheit gegen das Agäische Meer; aber die vom Balkankrieg herrührende Freundschaft mit Griechenland hemmte den Hang nach dem inzwischen griechisch gewordenen Saloniki und lenkte unter wirksamer
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer