1914 -
Frankfurt am Main
: Diesterweg
- Autor: Waterstraat, Hermann, Wehrhan, Karl
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Schultypen (WdK): Alle Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Alle Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule, Lehrerbildungsanstalt, Lehrerinnenbildungsanstalt, Mittlere Schule, Volksschule, Mittelschule
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Vi. Kulturbild. 47
und Ortsnamen. Die alten Wenden waren im eigentlichen Sinne des Worts
ein Naturvolk, das besondere Verehrung dem Loden im großen und kleinen
entgegenbrachte. Sie kamen mit ihrem leichten Pfluge, mit ihren Haustieren,
mit ihrer Kenntnis von Ackerbau, Viehwirtschaft, Bienenzucht, Zischfang und
betrachteten den Boden, den sie besiedelten, nicht sowohl als ein von ihnen
abhängiges Eigentum, sondern vielmehr als einen Herrn, den sie brauchten, um
zu bestehen. Oer Boden war ihnen alles,- sie verehrten ihn abgöttisch und hörten
niemals auf, ihn zärtlich zu lieben, auch als sie Christen geworden waren. Jedes
Lächlein, jedes stehende Gewässer von geringstem Umfang, jeder Hügel, jeder
Moorgrund, jeder Wald hatte seinen besondern Namen.
2. Die Bezeichnungen des Grund und Lodens sind zum größten Teil er-
halten geblieben, auch als deutsche Ansiedler in das Land kamen, die zum Teil
mit der wendischen
Bevölkerung ver-
schmolzen sind. Die
deutschen Lauern
fingen an, den dich-
ten Wald zu roden
und den fruchtbaren
Mergelboden in
Ackerland umzuwan-
deln. Moor und
Sand wurden vorerst
nicht begehrt und
blieben den alten
Lewohnern. Oft
legten die deutschen
Landwirte ganz
neue Ortschaften an;
ebenso oft aber ver-
banden sie ihre Kn-
siedlung mit der
alten wendischen, die dann von der deutschen Ortschaft durch die Bezeichnung
„wendisch" unterschieden wurde, z. L. Wendisch-Laggendorf in Vorpommern,
Wendisch-Silkow in hinter- pommern.
An die Stelle der wendischen Rundlinge *) traten die deutschen Reihen- oder
Straßendörfer der Lauern, mit denen bald die Herrensitze und Dörfer der Adligen
in Wettbewerb traten, die auch freie, deutsche Lauern seßhaft machten. Zwischen
diesen und dem Grundherrn wurde ein Vertrag abgeschlossen, der die beider-
seitigen Pflichten und Rechte feststellte. Oer Lauer zahlte eine bestimmte Summe
und erhielt dafür Land, nicht zu erblichem Lefitz, aber zu erblicher Nutznießung
überwiesen. 5lls Oberhaupt der Lauern galt der Schulze, der als Unternehmer
seine Standesgenossen zur Siedelung veranlaßt hatte. Für seine Oienste erhielt
') Das Dorf Reckow im Kreis Grebenhagen hat die Horm des wendischen Rund-
lings bewahrt. Das Dorf Gorckow bei Löbnitz war noch im Anfang des 19. Jahrhunderts
nur von einer Seite zugänglich.
flbb. 41. Hünengrab bei Lonvitz auf Rügen.