1902 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Seydlitz, Ernst von, Gockisch, Paul
- Auflagennummer (WdK): 6
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Mädchen
Norddeutsches Tiefland, 15
Xi. Das norddeutsche Tiefland
breitet sich oom N.-Fuß der mitteldeutschen Gebirgsschwelle bis zur Nord-
und Ostsee aus. Es uimmt etwa die Hälfte unseres Reiches ein, ist ein Teil
des großen n.-europäischeu Tieflandes und geht ö. in das größere russische,
w. in das kleinere holländisch-belgische und durch dieses in das französische
Tiefland über.
Das ganze Tiefland zerfällt in einen größeren ö. und euren kleinereu
w. Teil. Als Grenze zwischen beiden gilt die Elbe. Nach der Lage zu
diesem Flusse unterscheidet man das West- und das ostelbische Tiefland.
A. Das westelbische Tiesland
ist eine gleichförmig flache Ebene, die im O. zu dem niedrigen Höhen-
rücken der Lüneburger Heide aufsteigt und an der Küste den Meeres-
spiegel kaum überragt. Wir unterscheiden:
a) Die Nordseeküste mit ihren Inseln und Marschen. Die deutsche Nord-
seeküste ist eine den Schiffen gefährliche Flachküste*). Daher wird zur Zeit der
Ebbe**) der Meeresgrund auf eine weite Strecke hin ganz oder teilweise trocken gelegt.
Diese seichten, täglich zweimal vom Meere verlassenen Stellen heißen Watten.
Niedrige Inseln begleiten den flachen Küstensaum; w. von der Elbmündung
liegen die ostfriesischen und n. davon die nordfriesischen Inseln. Sie sind
meist Reste ehemaliger Dünen***), die sich einst an der ganzen Küste entlang
erstreckten. Einige von ihnen, wie Norderney an der hannöverschen und Sylt
an der schleswig-holsteinschen Küste, sind besuchte Seebäder. Vor der Elb-
mündung liegt das setzt auch zu Deutschland gehörende Felseneiland Helgoland
(s. Fig. 5, S. 35).
Den Rand der festländischen Küste bildet ein Streifen fruchtbaren Landes;
das sind die durch Schlammablagernngen entstandenen und dem Meere abge-
wonnenen Marschen. Acker reiht sich an Acker, und die weiten, saftigen
Wiesenfluren sind mit Herden weidender Rinder bedeckt. Kanäle durchziehen das
Land; Wälder und Quellen fehlen. Die Wohnungen sind auf ursprünglich hohen
oder künstlich erhöhten Stellen, den Wnrten, errichtet. Geschützt werden diese
Marschen vor den Fluten der Nordsee durch gewaltige, mit großen Kosten errichtete
Erddämme, die 5—10, ja am l. Elbufer 12^ m Höhe erreichen. Doch nicht
immer fiud diese Deiche im stände gewesen, das Meer zurückzuhalten. Sturmfluten-',')
haben ganze Landstriche verschlungen. Auf diese Weise sind der Dollart und der
Jadebusen entstanden.
Weil die Nordseeküste flach ist, so ist sie arm an Häfen. Die bedeutendsten
finden sich an den Mündungen der Flüsse. An der Weser, 70 km von der
Mündung entfernt, liegt der Auswandrerhafen Bremen, am Jadebusen das
befestigte Wuhelmsha^en-H), und an der Stelle der Elbe, bis zu der die Flut
die größten Seeschiffe trägt, Hamburg.
Die Bewohner der Nordseeküste und der vor ihr liegenden Inseln sind der
seetüchtige Volksstamm der Friesen. Sie leben von Fischfang, Schiffahrt, Ackerbau
und Viehzucht.
*) D. i. eine Küste, an der der Boden ganz allmählich unter das Wasser hinabsinkt.
_ **) Ebbe und Flut sind eine merkwürdige Erscheinung des Ozeans; sechs Stunden
steigt und sechs Stunden fällt das Wasser. Das Steigen der Wassermassen gegen die
Küste nennt man Flut, ihr Zurückweichen Ebbe.
***) Dünen sind zumeist langgestreckte Sandhügel, die dadurch entstehen, daß der
Wmd den trockenen Sand hügelartig zusammenfegt (f. Fig. 6, ©. 35).
t) Eine Sturmflut ist eine durch den Sturm hervorgerufene Überschwemmung des
Küstenlandes. -ft) Häven ist die niederdeutsche Schreibweise für Hafen.