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1. Theil 2 - S. 185

1875 - Leipzig : Brandstetter
185 Der Wahn, daß nach alten Prophezeihungen im Jahre 1000 der Untergang der Welt erfolgen müßte, erregte um diese Zeit große Beängstigung, um so mehr, als ein heftiges Erdbeben in Italien und die Erscheinung eines Kometen am Himmel das Volk in seinem Aberglauben bestärkte. Jeder bereitete sich nach seiner Weise auf den gefürchteten Tag vor. Die Leichtsinnigen verpraßten, was sie hatten, weil sie wähnten, bald nichts mehr zu bedürfen; die Frommen lagen Tage und Nächte in den Kirchen vor den Altären, Andere pilgerten nach Rom oder nach Jerusalem. Auch Otto Iii. blieb nicht frei von dieser phantastisch-religiösen Stimmung der Zeit. Es war ein wunderbarer Sinn in diesem jungen Fürsten. Schon in früher Jugend zeigte Otto eine nicht zu stillende Wißbegierde und besaß eine so ungewöhnliche Menge von Kenntnissen, daß man ihn für ein Wunder der damaligen Zeit hielt. Zudem konnte der Sohn Otto's Ii. und der Theophania, der Enkel der Kaiser des abend- und morgenländischen Reiches, seine Seele nur mit den höchsten Ideen kaiserlicher Gewalt, mit der Hoffnung großer Thaten und weltbewegenden Gedanken nähren; „es lag eine andere Lebensbahn vor ihm, als sich beim Eintritt in das Leben andern Menschen eröffnet/' Seine jugendliche Phantasie war von Bildern des Glanzes und der Größe, sein Herz von tiefer schwärmerischer Frömmigkeit erfüllt, auf welche es seine Erzieher theils in wahrhaft heiligem Eifer, vielleicht theils auch aus kluger Fürsorge für die kirchliche Macht ganz besonders abgesehen harten. Die Vorliebe seiner Mutter für griechische und römische Sitte und Wissenschaft war in so heftiger Weise in ihm lebendig, daß er, deutsches Wesen und deutsche Sitte verachtend, seine ganze Seele an ausländische Interessen dahin gab. Das Jahr 1000 ging ohne Weltgericht vorüber und Otto zog noch einmal nach seinem geliebten Italien, dessen Hauptstadt er im Stillen zu seiner eigenen und beständigen Heimath zu machen gedachte. Allein so gnädig er den Römern gesinnt war, dennoch gelang es ihm nicht, ihre Liebe zu gewinnen. Wie er selbst sich in Deutschland als Römer fühlte, so betrachteten ihn die Römer als Deutschen. Der mächtigste Herrscher hatte in Wahrheit kein Vaterland. „Kein Sterblicher, der sich von dem heimischen Boden losreißt und in vermessenem Stolze über die Art seines Volkes erhebt, hat je etwas Dauerndes geschaffen." Dies sollte auch Otto in dem tragischen Ausgange seines eigenen Schicksals erfahren. Wäre es ihm gelungen, seine innersten Absichten durchzuführen, so wäre aus dem deutschen Kaiserthum ein römisches geworden; Deutschland selbst wäre in eine abhängige Stellung gerathen und die Sradt Rom wäre noch einmal der Herrschersitz für das abendländische Kaiserthum geworden. Es kam so weit, daß Otto, bei einem Volksaufruhr zu Rom, in seinem eigenen Palaste von der wüthenden Volksmenge belagert, nur durch die Hülse des Markgrasen von Tuscien ge-
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