1912 -
Halle an d. Saale
: Schroedel
- Autor: Eckert, Max
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
28. Die Erziehung des deutschen Volkes. 159
durch das deutsche Volkstum beeinflußt worden. Deutschland
ist das Land der Reformation. Daß heute noch die Ent-
Wicklung unsers Volkes das Gepräge davon hat, ist nicht zu ver-
kennen. Der Protestantismus brachte uns die Befreiung
des Gewissens von der Bevormundung durch bloße Autoritäten.
Der Geist Luthers hat die deutsche Kultur befruchtet wie es
vor und nach ihm von keinem andern wieder geschehen ist. Aber
auch der Katholizismus ist ein mitbestimmender Faktor unserer
Kultur und geschichtlichen Entwicklung. Das in unserm großen
Königsberger Philosophen Kant zur Geltung gelangte Luthersche
Verständnis der Freiheit und Notwendigkeit des Pflichtgefühls
jedes Einzelnen hat das deutsche Volk befähigt, die Befreiungs-
kriege wider Napoleon und feine Herrschaft zu wagen.
Die Reformation führte die religiöse Spaltung des
deutschen Volkes herbei, indem die katholische Kirche sich in
der Hauptsache in Süddeutschland festsetzte und die evangelische
Kirche in Mittel- und Norddeutschland. Die Verteilung der
Konfessionen entspricht noch heute den in den Zeiten der Reformation
und Gegenreformation bis zum Westfälischen Frieden geschaffenen
Zuständen; und so wird uns die Verteilung der Bruchstücke der
Konfessionen, die uns jetzt regellos erscheint, nach dem alten
Grundsatz „cujus regio, ejus religio" erklärlich, indem die Bruch-
stücke mit Gebietsteilen ehemaliger protestantischer oder katholischer
Herrschergebiete zusammenfallen. So ist Württemberg bei weitem
protestantisch, dagegen sind Rheinland, Posen und Westpreußen
mehr katholisch. Nach der Aufnahme der religiösen Verhältnisse
in Deutschland vom 1. Dezember 1905 entfallen auf 1000 Be-
wohner 900 bis 1000 Evangelische in den Provinzen Brandenburg,
Pommern und Sachsen, im Königreich und Großherzogtum
Sachsen, in beiden Mecklenburg, sowie in allen deutschen Herzog-
und Fürstentümern und in den drei Hansestädten. Nur das kleine
Hohenzollern hat mehr als 900 Katholiken auf 1000 Bewohner,
sonst kein übriger Gebietsteil des Deutschen Reichs. In Bayern
und Elsaß-Lothringen zählt man reichlich 700 Katholiken auf
1000 Bewohner. Selbst diese Zahl wird von keinem andern
deutschen Land erreicht, nicht einmal von Rheinland, Posen oder
Baden, je mit 600 bis 700 katholischen Angehörigen. Ein wenig
im Ubergewicht ist die katholische Einwohnerschaft noch in West-
preußen, Schlesien und Westfalen.
Im Deutschen Reiche sind die Evangelischen bei weitem
in der Überzahl. Während 1905 nur 22 Millionen Katholiken
gezählt t wurden, verfügten die evangelischen Christen über
38 Millionen Angehörige. Von 1870 bis 1900 war die katholische
Bevölkerung prozentuarisch etwas zurückgegangen, von dem letzt
genannten Jahre ab bis 1905 hat sie um 0,6% der Gesamt-
bevölkerung zugenommen, während die Evangelischen ein Minus
von 0,5% zu verzeichnen haben (vgl. stat. Anh. Xxxiv).