1912 -
Halle an d. Saale
: Schroedel
- Autor: Eckert, Max
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
34. Das Deutschtum in Ubersee. 197
man der Siedlungsform nach am ehesten mit den Waldhufen-
kolonien vergleichen, wie sie im fpätern Mittelalter in mittel-
deutschen Gebirgsgegenden, so im Spessart, Schwarzwald, Oden-
wald, entstanden sind (s. S. 140). Die überwiegende Mehrzahl
der deutschen Kolonien wuchs im Urwald heran, während das
waldfreiere und höher gelegene Gebiet, der Camp, weniger
deutschen Ansiedlungszwecken diente. Die primitive Ackerbestellung
ist heute noch von großem Erfolg begleitet. Das Haupterzeugnis
ist nach wie vor der Mais, der zu den mannigfaltigsten Zwecken,
auch als Viehfutter, verwendet wird. Andere wichtige landwirt-
schaftliche Erzeugnisse sind schwarze Bohnen, das beliebteste
Nahrungsmittel der Brasilianer, ferner Mandiok Maniok). Kar-
toffeln, Erdnüsse, Zuckerrohr, in geringerm Maße Roggen,
Weizen, Gerste und Hafer und zuletzt auch Tabak. Neben dem
Ackerbau liefert die Viehzucht, insbesondere die Schweinezucht,
sehr reiche Erträge.
Das Deutschtum Brasiliens beruht nicht allein auf dem
deutschen Ansiedler und Bauer, sondern auch auf zahlreichen
Deutschen in den Städten, die hier eine große Rolle spielen. Sie
stehen geistig und kulturell ungleich höher als die im Urwald
vereinsamten Bauern. Eine lebensfähige deutsche Presse haben
sie geschaffen, und das in üppiger Fülle strotzende Vereinswesen
zeugt von einem stark entwickelten und vielseitig sich betätigenden
Zusammengehörigkeitsgefühl. Die deutschen Bauern wie die
deutschen Städter Brasiliens haben sehr viel zur kulturellen
Hebung des Landes beigetragen, und mit Stolz können die
Söhne der Eingewanderten sich Teuto-Brasileros im Gegensatz
zu den Luso-Brasileros, den Nachkommen der alten Lusitanier,
nennen. An vielen Stellen sind die Deutschen die eigentlichen
Arbeiter, die Bauern und Bürger geworden. Sie haben sich
nicht an den politischen Intrigen und Revolutionen beteiligt;
fremd ist ihnen die unter den Romanen so verbreitete Stellen-
jägerei und die politische Eitelkeit. Den Fortschritt finden sie
nur in der Arbeit, in der Landwirtschaft und in gewerblichen
und industriellen Unternehmungen. So sind die deutschen
Kolonien in Brasilien, wie auch in Chile und Argentinien,
blühende Glieder am Staatskörper.
Zum Schluß sei noch auf das vortreffliche Klima in Süd-
brasilien hingewiesen, von dem es heißt, daß es kein anderes
gäbe, das dem Deutschen zuträglicher wäre; ja der deutsche Typus
nehme bei diesem Klima geradezu eine gesteigerte, höher ent-
wickelte Form an. „Die Kinder werden hier größer, kräftiger,
schöner als im deutschen Vaterlande. Es ist eine Freude, diese
Burschen und Mädchen zu betrachten, die sich alle der schönsten
weißen Hautfarbe, blauer Augen und blonder Flachshaare
erfreuen, so daß man kaum irgendwo in Deutschland eine so
kräftige und dabei so urdeutsche Bevölkerung sehen kann, wie
hier im südbrasilianischen Urwald" (A. Hettner).