Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Theil 3 - S. 6

1875 - Leipzig : Brandstetter
6 Jammer nach Wittenberg schrieb: „O meine Sünde, Sünde, Sünde!" antwortete dieser mit naiver Tröstung: „Du willst Vergebung der Sünden und hast doch keine rechte Sünde. Soll dir Christus helfen, so mußt du ein Register rechtschaffener Sünden haben als da ist: stehlen, morden u. dgl. und mußt ihm nicht mit solchem Trödelwerk und Puppensünden kommen." Oft brachte Luther mehrere Tage ohne Speise und Trank in seiner Zelle eingeschlossen zu. So fanden ihn einst die Freunde, nachdem sie die Thüre gewaltsam erbrochen, ohnmächtig am Boden liegend. Sie brachten ihn wieder zum Leben durch Musik. Den ersten Lichtstrahl empfing er in einer Stunde der bittersten Qual von einem alten Augustinermönch, der ihn Beichte hörte und auf den Glauben an die Vergebung der Sünden verwies. Allmählich ward esheller in seiner Seele: „Da ward ich froh," sagt Luther, „denn ich lernte und sah, daß Gottes Gerechtigkeit, das ist seine Barmherzigkeit, durch welche er uns gerecht achtet und hält; da reimte ich Gerechtigkeit und Gerechtsein zusammen und ward meiner Sache gewiß." Luther erhob sich aus dem Abgrunde des Zweifels durch den Gedanken , daß die von der Kirche gebotenen Gnadenmittel an sich macht» und wirkungslos sind, wenn nicht die Liebe ihnen vorausgeht und sie in Kraft setzt. Er war wie ein Mensch, der nach langem Umherirren endlich die rechte Straße gefunden hat. Getrost ging er weiter. Er hielt sich fest mit den feurigsten Gebeten. Fast ungern folgte Luther bald darauf einem, durch seinen Freund und Gönner Staupitz vermittelten Ruf an die erst kürzlich von dem Kurfürsten Johann Friedrich vonsachsen gegründete Universität Wittenberg. Er vertrat hier zunächst einige philosophische Fächer, nicht ganz zu seiner Befriedigung, „denn die Philosophie ging ihm schwer ein." Seine Neigung führte ihn stets dem Studium der Theologie entgegen und er fand die im Kloster errungenen Tröstungen in den alten Kirchenvätern bestätigt, indem die Geschichte ihn zwischen den göttlichen und menschlichen Satzungen unterscheiden lehrte. Vor allem aber sammelte er seine ganze Seele mit allen Sinnen und Gedanken auf Erforschung der Bibel; „in den Kern der Nuß, in das Mark des Waizens", wie er zu sagen pflegte. Die Veräußerlichung der Religion durch die Werkheiligkeit war für ihn eine überwundene Sache. Was dem Menschen heilig ist und frommt, wollte er in das Innere des Gemüths zurückgeführt wissen. Die Lehre von der Rechtfertigung durch den Glauben war die Frucht feiner schweren inneren Kämpfe und der erste Schritt auf feiner reformatorifchen Bahn. Luther befaß eine wunderbare und seltene schöpferische Geisteskraft, die sich darin bezeugte, daß er nie etwas zerstörte ohne ein Besseres aufzubauen. In dieser Gabe lag wohl vorzugsweise die Befähigung zu seinem welthistorischen Beruf.
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer