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1. Theil 3 - S. 370

1875 - Leipzig : Brandstetter
Wonnen hatte. Er wollte mit Gewalt bewirken, was man in anderen monarchischen Staaten mit Gewalt zu hindern suchte, und eine große Anzahl Derer, welche sein Besserungseifer angriff, fühlte sich in ihren Privat- und öffentlichen Rechten bitter gekränkt, daher manche seiner Maßregeln nur nach heftigem Widerstände durchgesetzt werden konnten. Mit größtem Mißfallen vernahm besonders der römische Hof die neuen kirchlichen Reformen, und als Pabft Pius Vi vergebens Vorstellungen nach Wien gesendet hatte, entschloß er sich endlich, allerdings gegen den Wunsch feines Rathes, selbst nach Wien zu gehen. So sah die Welt zum ersten Male seit Karl dem Großen — den römischen Bischof zum deutschen Kaiser reisen, nachdem in früheren Zeiten die Kaiser demüthig um Segen oder Vergebung flehend nach Rom gepilgert waren. Der Kaiser empfing den heiligen Vater mit allen Ehren, ohne jedoch irgend ein demüthigendes Ceremoniel zu beobachten; er empfing ihn — als Kaiser, und verhinderte auf jede Weise heimliche Zusammenkünfte des Pabstes mit Klerikern. Pius Vi. erlangte von dem Kaiser wenig von dem, was er wünschte, und die österreichische Kirche blieb unabhängig von Rom. Auf das Duldungsgefetz jedoch schien die Anwesenheit des Pabstes nachtheilig eingewirkt zu haben; denn bald darauf wurde es in einer Weise beschränkt, welche bis auf den heutigen Tag der protestantischen Kirche schweren Eintrag gethan hat. Die Versicherung des Kaisers, er wolle durch die Begünstigung der Protestanten auf keinen Fall die katholische Kirche bevortheilen, war genug, um daraus die Folgerung abzuleiten, daß durch die Entstehung vieler neuen katholischen Gemeinden ganze katholische Pfarreien eingehen, viele Geistliche und Bischöfe in ihren Einkünften stark geschmälert werden würden. So entstand ein Zusatz zu dem Toleranzgesetze des Inhalts: daß die protestantischen Pfarrkinder außer der Erhaltung ihres Seelsorgers (dem der Name eines Pfarrers versagt wurde) dem katholischen Pfarrer des Ortes alle Kirchengebühren wie früher bezahlen müßten. Zu diesen Beschränkungen, welche nach der Verschiedenheit der betreffenden geistlichen Behörde oft nnlder, Oft härter sich gestalteten, kamen mit der Zeit noch manche andere hinzu, und da die Neigung der österreichischen Völker zum Protestantismus so stark war, daß ganze Dörfer und Gemeinden, die bisher aus Zwang katholisch waren, nun öffentlich den evangelischen Glauben bekannten, nahmen die Quälereien und Nergeleien kein Ende. Selbst in Ungarn, wo die Religionsfreiheit durch den Wiener und Linzer Frieden gesichert war und die Protestanten von den katholischen Pfarrern unabhängig blieben, fand mit der Zeit eine bemerkbare Bedrückung statt Was das Duldungsgefetz nicht ausgleichen konnte, sollte eine allgemeine Aufklärung des Volkes vermitteln, welche Kaiser Joseph, selbst über so viele Vorurtheile erhaben, durch verbesserten Schulunterricht und durch Preßfreiheit aus allen Kräften zu fördern strebte. Er wollte
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