Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Theil 3 - S. 447

1875 - Leipzig : Brandstetter
gütigen und großen Verlusten in der alten russischen Hauptstadt an; sie fanden sie öde und verlassen, wie die Dörfer an der Straße, durch welche sie gekommen waren. Von einer Bevölkerung von 300,000 Menschen waren kaum 30,000 zurückgeblieben, die Häuser waren verschlossen, kein Magistrat, keine Behörde fand sich ein, die Sieger zu begrüßen. Napoleon erlaubte den Soldaten die Plünderung der Stadt; noch kannte er die ganze grauenvolle Wahrheit nicht; er glaubte eine verlassene Stadt statt einer bewohnten, reichen vor sich zu haben; er ahnte nicht, daß er sich inmitten einer unermeßlichen Brandstätte befinde. An mehr als hundert Stellen zugleich brach das von den Russen vor ihrem Abzüge heimlich gelegte Feuer aus, das bald in furchtbarem Maße um sich griff, da der russische Gouverneur alle Löschwerkzeuge mit sich genommen hatte. Der größte Theil fiel in Asche, und die Soldaten, anstatt eine Herberge zu finden, mußten auf das leere Feld ziehen und sich im Freien lagern. So groß auch die Beute sein mochte an Gold, Silber und kostbaren Stoffen, so war doch in der weiten Stadt an den nöthigsten Lebensmitteln, an Brod und Fleisch, kaum so viel aufzufinden, als für die Truppen während ihres Aufenthaltes vom 14. September bis 17. Oktober für die äußerste Nothdurst erforderlich war. Noch konnte Napoleon den Rest seiner Armee retten, hätte er sich gleich in den ersten Tagen zum Rückzug entschlossen; allein verblendet, wie er war, wollte er nicht einsehen, daß die Russen einen Vernichtungskrieg zu führen entschlossen waren. Deutschlands deutschester Mann, der Freiherr von Stein, von Napoleon für vogelfrei erklärt, war Alexander's Freund und Rathgeber geworden. Anstatt schleunigst umzukehren, schickte Napoleon Gesandte mit Friedensanträgen an den mittlerweile zum Oberbefehl gelangten russischen General Kutusow, und dieser hielt den Feind mit vielem Geschicke vier Wochen lang hin, bis die größte Noth die Franzosen zwang, aufzubrechen und den jetzt schon viel schwierigeren Rückzug anzutreten. Zu gleicher Zeit setzte sich das russische Heer in Bewegung. Bei Malo-Iaroslawez kam es zu einer Schlacht, in welcher die Franzosen zwar siegten, ohne jedoch dadurch ihre Lage zu verbessern; denn es trat die Kälte nun ein, auf welche die Russen gerechnet hatten, die den Zustand der flüchtenden Armee in einem Grade verzweifelt machte, den Worte nicht mehr zu schildern vermögen. Das Werk der Zerstörung begann zuerst an Pferden und Gespann. Gleich Gerippen ausgehungert, fielen sie zu Tausenden hin, Tausende wurden geschlachtet und von den hungrigen Soldaten verzehrt. Die Kanonen blieben auf der Straße liegen. Jeder dachte und sorgte nur noch für sich. Hunger, Kälte und Müdigkeit rafften allmählich von Tag zu Tag mehr Menschen als eine Schlacht dahin, und die Straße von Kaluga bis Smolensk war mit Leichen übersäet. Ney, der in der Schlacht an der Moskwa Wunder der
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer