1876 -
Leipzig
: Ed. Peters Verl.
- Autor: Schlagintweit, Robert von, Humboldt, Alexander von, Andree, Richard, Schreiber, Carl, Ritter, Carl, Roon, Albrecht Theodor Emil von, Daniel, Hermann Adalbert
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrerbuch
- Schultypen (WdK): Gymnasium, Realschule, Mittlere Lehranstalten, Bürgerschule, Lehrerseminar
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten, Mittlere Lehranstalten, Lehrerbildungsanstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule, Gymnasium, Mittelschule, Realschule, Seminar
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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jedem Jahrhundert 5 Zoll.) Die Priester verkündeten sonst, wie die Flut
am Nilmesser stehe; (zeigt er 8 Ellen, so pflegt das Getreide nur spärlich
zu gedeihen; erreicht sie aber 14 Ellen, so läßt sich eine üppige Ernte er-
warten); darnach traf der Landmann seine Vorbereitungen zu einer kärglichen
oder reichlichen Ernte. Deiche, Kanäle und Schleusen mußten sich selbst im
Beginn der menschlichen Gesellschaft aufdrängen, deren Bestand auch durch
Lage und Begrenzung des Landes gesichert war, im W. durch die brennende
Sandwüste, im O. durch das Meer. So konnte Aegypten „die Geburtsstätte
europäischer Civilisation" werden. Die Lage am Meer zwischen Asien und
Europa drängte Aegypten, nach Ueberwindnng des Absperrungssystems, ein
Seestaat zu werden. Das unterworfene Syrien mußte ihm das fehlende
Bauholz liefern.
Diese Lage an der großen Verkehrs- und Handelsstraße zwischen dem
Abend- und Morgenlande erhielt Aegypten seine Bedeutung, trotz der der-
derblichen Herrschaft der Mamelucken, auch noch im Mittelalter. Erst durch
die Entdeckung Amerikas und die Umschiffung Afrikas verlor es dieselbe.
Die Anlegung des Kanals von Suez in neuerer Zeit und die dadurch wieder
herbeigeführte Berührung mit den eivilisirten Völkern kann nicht verfehlen,
die fehr herunter gekommene Bevölkerung und das Land zu neuer Blüthe
zu erheben. Eisenbahnen und Telegraphen, welche schon jetzt das Land
durchziehen, neue Kanäle und Brücken, Fabrikanlagen aller Art, sowie selbst
Schulen nach europäischem Muster sprechen dafür.2)
Die Luft ist trocken. „Die Sonne Aegyptens strahlt nicht, da keine
Wolken sie stören, sie scheint und gießt ihr Licht überall hin gleichmäßig aus."
Zur Zeit der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche weht der glühende Wüsten-
wind Khamsin oder Samum, welcher die Temperatur (bis 49° R.) und
Trockenheit der Lust bedeutend erhöht, die Sonne röthlich braun und die
Luft wie durch ein hellgelbes Glas gesehen erscheinen läßt.
Die Natur des Landes spiegelt sich selbst in den religiösen Vorstellungen
der alten Aegypter wieder. „Der Grundgedanke der ägyptischen Religion
ist der Gegensatz des Lebens und des Todes. Aegypten war eine Oase in
der Wüste und dieses Gebiet des Lebens umgab ringsum Unfruchtbarkeit und
Tod." Daher verehrten die Aegypter in Osiris und Isis die wohlthätigen
Kräfte der Natur: in dem Bilde jenes den die Erde befruchtenden Nil sowie
die jene Fruchtbarkeit bewirkende Sonne; in dem Bilde dieser die befruchtete
Erde selbst; und der Typhon war das Bild des versengenden Sturmwindes.
Als Ausdruck des Wunsches, der Vernichtung zu entrinnen, muß man die
Sitte des Einbalfamirens und die Errichtung der Pyramiden und
Felsengräber betrachten.
Die ägyptische Geschichte reicht bis 4000 Jahre v. Chr. zurück, wie
1) „Der Koloß Ramses Ii. ist nach redlicher Schätzung von einem 9' 4" hohen
Bodensatz umgeben; errichtet wurde er vor 3215 Jahren, was 3v2" während eines
Jahrhunderts ergiebt. Unter demselben setzen sich jedoch ähnliche Lagen bis zu
einer Tiefe von 30' fort, was in gleichem Verhältnisse 13,500 Jahre ergeben würde."
Draper.
2) M. Lüttke nennt Aegypten geradezu „den Zukunftsstaat des Orients".