1872 -
Leipzig
: Barth
- Autor: Ramshorn, Carl, Vogel, Johann Carl Christoph
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Bürgerschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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— Der zweite Morgen bringt neuen Sturm, feindlichen Himmel
und verstärkte Angriffswuth der Barbaren. Die Legionen halten
sich noch einmal bis zum Abend. Am dritten Morgen, wie die
Deutschen in die gelichteten Reihen einbrechen, stürzt sich Varus
in sein Schwert, alle Ordnung lös't sich, und die Legionen werden
vernichtet. Sieh', auf diesem Flecke stehst Du! Hier ist das Winn-
feld, das Siegesfeld.
In diesem Augenblicke traten wir aus dem Wald in eine
Hochebene, nur nach einer Seite frei von den dichten Tannen-
Waldungen. Die Ebene weithin liegt vor uns, die letzte Rettungs-
Hoffnung der Römer; noch eine Kraftanstrengung, und sie brachen
nach dem Rheine durch. Da wurden sie im Angesicht der Ebene
zusammengehauen. — Laß Dir einmal vom Taeitus die Gefühle
schildern, sagte mein Begleiter, mit denen Jahre nachher Germanicus
und seine Legionen, die doch niemals wieder das Joch fest auf den
deutschen Nacken legen konnten, hier gestanden haben. Ein glück-
liches Treffen hat sie vorwärts gebracht, sie verheeren alles Land
zwischen Ems und Lippe, nicht weit, sagt der Geschichtschreiber,
vom Teutoburger Wald, in dem die Gebeine der drei Legionen
unbegraben liegen sollten. Wenn Du aber zwischen Ems und
Lippe aufwärts gehst, so findest Du dieses Waldgebirge, an dessen
Fuß sie entspringen. — Zuerst das erste Lager des Varus, mit
abgemessenen, mächtigen, regelmäßigen Verhältnissen, zeigt ihnen
die ungebrochene Kraft; dann das zweite, mit niedrigem Wall,
halb verschüttetem Graben, endlich mitten im Feld die bleichenden
Gebeine, zerstreut hier und da, wie sie geflohen waren oder wider-
standen hatten. Laß alle Gelehrten sich zanken, ob es hier gewesen
ist oder nicht. Die Haine, in denen sie die Gefangenen geschlachtet
haben, fehlen nicht, rechts und links. Es kann's Keiner demon-
striren, daß der letzte Kampf auf diesem Platze gewesen ist, aber
den Teutoburger Wald haben wir sicher, und das Feld hier heißt
Winnfeld seit alten undenklichen Zeiten; das genügt uns, und wo
dies zusammentrifft, laß Dir von keiner Kritik und Krittelei das
Bewußtsein verkümmern, daß Du hier auf historischem Boden stehst,
der mit Römerblut für deutsche Freiheit gedüngt ist. Und mit
dem Hermann ist's auch keine Einbildung; denn der letzte alte
Römer, der den Fluch über uns gesprochen hat, als er die Götter
um ewige Dauer unsrer inneren Zwietracht anflehte, hat wohl
gewußt, was er sagte, als er aussprach: „Arminius sei unbestritten
der Befreier Germaniens."