1902 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Die leitenden Gedanken.
3-5
Für das Verhältnis des Menschengeschlechtes zur Natur ist
der einzelne Mensch fast völlig bedeutungslos. Sowohl
für ein erfolgreiches tätiges Eingreifen in das Naturleben
als auch für eine wirksame Abwehr der durch die Naturgewalten
drohenden Gefahren ist ein gemeinsames Vorgehen der Menschen
erforderlich. Die staatliche Vereinigung der Völker ist deshalb
eine wirtschaftliche Notwendigkeit und soll zur Förderung
der menschlichen Wohlfahrt dienen.
I. Züge aus dem Naturbilde der Erde.
(Physische Erdkunde.)
a) Von der Erdrinde.
aa) Vom Bau der Erdrinde und allgemeinen Gepräge ihrer Oberfläche. § 7.
Man nimmt an*), dass die Erde gleich den übrigen Welt-
körpern einst einen ungeheuren, stark überhitzten Ball feuriger
Gase bildete, dessen Nebelmasse sich durch die Schnelligkeit der
Drehung um sich selbst stark verdichtet hatte. Die grosse Erd-
hitze strahlte allmählich in den Weltenraum aus, und dadurch ver-
dichtete und verkleinerte sich der Erdkörper noch mehr. Der
gasförmige Zustand seiner Stoffe ging dabei zuerst in einen flüs-
sigen und dieser später bei den meisten Stoffen in einen festen
über. Es bildete sich eine kalte, feste Schale um den feurigen
und, wie man annimmt, noch heute feurigen Erdkern, die Erd-
rinde, die anfangs sehr dünn war und allmählich an Dicke zu-
nahm. Um den Erdkörper, der nun seine feste Gestalt erhalten
hatte, schwebte ein ungeheurer Dunstkreis, in welchen die jetzige
Wasserhülle der Erde aufgelöst war. Mit der weitern Er-
kaltung des Erdkörpers ging auch ein immer grösserer Teil des
Wassers aus dem gasförmigen in den flüssigen Zustand über. Es
bildete sich der zunächst noch heisse Urozean, der die Erd-
rinde wahrscheinlich ziemlich gleichmässig umgab. Die Gebirgs-
bildung, die Herausbildung von Höhen und Tiefen, war ein spä-
teres Ergebnis einer schon starken Abkühlung der Erde.
Nach dem Naturgesetze, dass kalte Körper einen kleineren Raum
als warme einnehmen, schrumpfte der Erdkörper immer mehr
zusammen. Da dieses Zusammenschrumpfen sich im Innern der
Erde, wo noch hohe Hitzegrade vorhanden waren, in stärkerem
Masse vollzog als auf der Oberfläche, wo die Abkühlung schon
fast zum Abschluss gelangt war, musste sich die Erdrinde, weil
sie zu gross für den Erdkern wurde, in Falten legen**). Diese
*) Nach der Kant-Laplaceschen Theorie.
**) An einem gebratenen Apfel lässt sich der Vorgang anschaulich vor-
führen; solange derselbe warm ist, erscheint seine Schale glatt; je mehr er aber
erkaltet, wirft sie sich in Falten.
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