1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Staatenbildung.
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da, wo eine Anzahl von Thälern durch nicht zu beschwerliche
Passübergänge in Verbindung treten konnte, entwickelten sich
kräftigere Staatswesen. So reichten sich über den Pässen der
Gotthardgruppe hinweg die Thalstaaten der Reuss, der Aare, der
Rhône, des Tessin und des Rheins einander die Hand zu einem
Staatenbunde, dem der Schweiz (s. Bd. I), der noch heute als
einziger Alpenstaat seine Selbständigkeit bewahrt hat. Ähnlich
ging die Staatenbildung Tirols vor sich. Der Brennerpass machte
es möglich, dass die Bewohner des Inn-, der Etscb- und des Drau-
thales sich politisch verbinden konnten. Dass Thäler die Wurzeln
der Alpenstaaten waren, zeigten auch Kärnten, das im Drau-
thai, und Krain, das im Sauthal, entstand, sowie S a voy en,
dessen Wiege das Flussthälchen der Ar, eines linken Zuflusses der
Isère, war. Diese und andere Staatenbildungen sind mit Ausnahme
der Schweiz den mächtigen Staaten zum Opfer gefallen,,
die in den benachbarten Mittelgeb ir g s- und Tieflandschaf-
ten zur Entwicklung gelangten. Deren Streben musste es sein,
sich in den Besitz der schwer überschreitbaren Alpenkämme zu
setzen und dadurch eine starke Grenzlinie zu verschaffen.
Dieses Streben musste umso leichter Erfolg haben, als alle Alpen-
thäler bequeme Zugänge haben. Fast das ganze östliche Alpen-
gebiet wurde durch seine grossen, nach No und O zur Donau aus-
laufenden Längsthälern an den Donaustaat Oesterreich, die
jetzige Doppel-Monarchie Österreich-Ungarn angegliedert, westlich
von ihm herrscht fast über das ganze Alpengebiet die Schweiz^
auf den Kämmen der südnördlich gerichteten westlichen Alpen
stossen Frankreich und Italien zusammen, letzteres ist zu-
gleich südlicher Grenznachbar der Schweiz und Österreich-Ungarns,
und ferner lehnt sich im N, zwischen Rhein und Salzach, auch
das Deutsche Reich unmittelbar an den Alpenfuss an. So sind
es heute 5 Staaten, die sich in den Besitz des Hochgebirges der
Alpen geteilt haben und an ihm einen natürlichen Grenzschutz suchen.
Uber die s t a a 11 i c h e O r d n u n g und Einrichtung der Schweiz
und des Deutschen Reiches vergi, den I. Bd., über die der
übrigen oben genannten Staaten vergi, die Abschnitte über die be-
treffenden Landschaften in diesem Bande.
11. Geistige Kultur: Geistesleben, Bildungswesen
und Religion.
Das Wohnen in abgeschlossenen Gebirgsthälern, denen ein
grösserer Verkehrsstrom fehlt und die den Menschen nur mit wenigen
und immer denselben Naturgegenständen und Menschen zusammen-
bringen, musste auf das Geistesleben der Älpler einen mächtigen
Einfluss ausüben. Das heimatliche Thal ist ihnen die Welt,