1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Kiiltureigentümlichkeiten und Volksleben.
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bildet es einen grossen Gegensatz zu den Häusern der Städte, die
wie eine endlose Reihe kleiner Kästen erscheinen.
Unter den englischen Familienfesten ist das Weihnachts-
fest das schönste des ganzen Jahres. Jeder Engländer sehnt sich
dann zurück in das Vaterhaus, und selbst weite Reisen werden
nicht gescheut, um die schönen Tage im Kreise der lieben Ver-
wandten verleben zu können. Wer aber dies nicht kann, dem öffnen
sich die gastlichen Pforten eines Freundeshauses, und Ausländer
staunen über die Herzlichkeit, mit der sie um diese Zeit in eng-
lischen Familien gastlich willkommen geheissen werden. Die Sitte
des Beschenkens am Weihnachtsfeste ist auch in England all-
gemein verbreitet. Die liebliche Bescherungsgestalt des Christ-
kindleins kennt man aber fast gar nicht. Seine Stelle vertritt der
Father Christmas (spr. fathör krissmäss), ein Weihnachtsmann
mit weissem Barte. Die innern Räume des Hauses sind mit immer-
grünen Pflanzen, besonders mit Zweigen der Mistel und der
Stechpalme geschmückt. Letztere vertritt meistens auch den
Weihnachtsbaum. In manchen Familien erfreut sich das junge
Volk am Weihnachtsfeste noch an den althergebrachten Gesell-
schaftsspielen.
Das öffentliche Leben wird in England durch nichts so sehr
beherrscht als durch den vielerlei Sport. Die schönsten Veran-
staltungen, zugleich die, mit welchen das Lebensinteresse des
englischen Volkes am innigsten verknüpft ist, sind die Segel-
regatten, die im grossartigsten Massstabe alljährlich besonders
auf der untern Themse und bei Co we s (spr. kaus') an der Insel
Wight stattfinden. Doch auch an vielen andern Stellen der aus-
gedehnten Küste werden kleinere Segelregatten veranstaltet, und
diese nehmen gewöhnlich am meisten das Gepräge von wahren
Volksfesten an.
Das Meeresufer hat ein Festgewand angelegt, und auch die in der Nähe
liegenden Schiffe sind mit Flaggen geschmückt. Die Stelle des Strandes, von
wo aus die Regatta am besten verfolgt werden kann, bietet den Anblick eines
Jahrmarktes dar. Gegen Mittag werden in der Stadt die Läden geschlossen, und
nun macht sich alles auf die Beine. Alles strömt zum Strande, Kirchenglocken
und Musikbanden aber erhöhen die Festesstimmung. Das Wettsegeln beginnt.
Ein jeder verfolgt es so gespannt, als wenn sein eignes Segelboot den Kampf
mitmache. Jeder Vorteil des einen, jeder Nachteil des andern Bootes wird
gleich erkannt, und die Aussichten des Sieges werden hin und her besprochen.
Der Sieger erntet reichen Jubel. Am Schlüsse der Wettfahrten finden gewöhn-
lich noch allerlei V olksbelustigungen statt, wie Wettschwimmen, eine
Kübelfahrt, eine Wild-Enten- und Gänsejagd, und in allgemeiner Heiterkeit
endet der Festtag.