1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Die Balkanhalbinsel.
Thäler wie aus einem Versteck auf. Häufiger ist ihr Anblick in
Bulgarien. Die Türken haben die Klöster auf ihren Kriegszügen
meistens in heiliger Scheu verschont, und nur in seltenen Fällen
wurden die Klosterfelder von ihren Rossen zerstampft. So können
die Klosterräume noch von frühern Jahrhunderten erzählen, und
das Volk schätzt sie als die Hüter des Glaubens und der Erinne-
rungen der'väter.
Das bulgarische Volksleben hat zu den Klöstern noch heute
innige Beziehungen, und kommt der Namenstag des Schutzheiligen,
so strömt die Menge von weit und breit zusammen, und alle bringen Gaben.
Eine Art Jahrmarktsleben entwickelt sich um die stillen Räume des Klosters.
Die Burschen und Mädchen tanzen den H o r o, den volkstümlichen Reigentanz,
und Zigeuner spielen dabei mit dem Dudelsack oder der Geige auf. Auch sonst
können sich die Mönche über die Bauern nicht beklagen. Meistens helfen diese
gern bei der Bestellung der Felder. Dafür ist das Kloster auch eine gastliche
Stätte. Ein einfaches Nachtlager wird jedem gewährt, der an der Klosterthür
anklopft. Als Speise wird ihm ein Huhn, mit Paprika und Zwiebeln gekocht,
und ein Stück Schwarzbrot vorgesetzt, und ein Gläschen Traubenbranntwein
würzt das Mahl. Zuweilen wird sogar ein Lämmchen zu Ehren des Gastes ge-
schlachtet. In der Fastenzeit jedoch muss man sich mit Oliven und in Wasser
gekochten Bohnen zufrieden stellen. Als Zahlung wird eine kleine Opfergabe
angenommen. Die Klostergebäude sind meistens aus Holz gezimmert. In dem
fest gemauerten Kirchlein hängt meistens keine Glocke. Die Türken erlaubten
deren Gebrauch nicht. Ihre Stelle vertritt ein langes Eichenbrett, das neben
dem Kirchlein an einem Baume hängt, oder auch eine Eisenstange. Mit einem
oder zwei Schlägeln wird ein weithin schallender Lärm gemacht, der die Gläu-
bigen zum Gottesdienste ruft.
Von Bulgarien schweifen wir hinüber nach Konstantinopel,
wo in den blauen Fluten des Goldenen Horn sich die schlanken
Minarets der türkischen Moscheen spiegeln. Vom Islam
und seinen Gebräuchen, wie sie die Satzungen des Koran
vorschreiben, wollen wir etwas sehen und erfahren. Die m olía-
me danisch en Frauen dürfen sich nur verschleiert auf der
Strasse zeigen. Bei den Mahlzeiten ist strenge Scheidung der
Geschlechter vorgeschrieben. Diese Vorschrift schneidet tief in
das Familien- und gesellige Leben ein. Selbst bei Festen darf
keine Ausnahme gemacht werden, nicht einmal während des Fasten-
monats Ramasan, wo jeder vornehme Moslem am Abend offenes
Haus hält und seine Freunde einladet. Iftar, der Bruch des
Fastens, heisst die grosse Mahlzeit, die abends gereicht wird,
sobald mit dem Sonnenuntergang der neue Tag begonnen hat. Am
Tage aber muss gefastet werden.
Die Vorschrift des Propheten lautet: „Den Monat Ramasan, in
dem der Koran offenbart wurde, als Leitung für den Menschen und deutliche
Lehre des Guten, sollt ihr fasten . . . Begehrt, was Gott euch erlaubt, esset
und trinket, bis man beim Morgenstrahl einen weissen Faden von einem schwarzen
unterscheiden kann. Dann aber haltet Fasten bis zur Nacht, ziehet euch ins
Bethaus zurück." Die sechste Nachmittagsstunde ist bald zu Ende, und die
Sonne neigt sich zur Erde. Immer schärfer treten die Umrisse der Paläste,
Moscheen und Minarets auf dem Hügelabhang, auf dem Stambul liegt, hervor
und geben der Stadt ihr eigenartiges Gepräge. Sehnsüchtig blicken die Gläubigen
zum Himmel; denn bald schlägt die Erlösungsstunde vom Fasten. Plötzlich
ertönt dumpfer Kanonendonner: der neue Tag ist angebrochen! Mit lauter
Stimme rufen die Muezins von den zierlichen Galerien der wie Nadeln