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1. Die Landschaften Europas - S. 424

1900 - Trier : Lintz
424 Die Apenninen-Halbinsel. wirtschaftlichen Verfalls. Auch in heutiger Zeit leben weite Schichten des italienischen Volkes in bitterer Armut. Für die Zukunft öffnen sich aber zwei günstige Aussichten: infolge der Eröffnung des Suezkanals schlägt der Handel wieder mehr seine alten Wege ein, und die politische Einigung lässt auf eine ruhige Weiterentwicklung hoffen. Nicht wenig erleichtert wird die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse, wie schon so oft in der Vergangenheit, durch die grosse Genügsamkeit des italienischen Volkes. 13. Kultureigentümlichkeiten und Volksleben. Die scharf ausgeprägte Eigenart der Landesnatur Italiens hat auch in dem italienischen Volke viele Kultur- eigentümlichkeiten ausgebildet. Nur einzelne Züge des italie- nischen Volkslebens können wir hier betrachten. Zunächst ein Verkehrsbild mitten aus dem Leben. Wir befinden uns, im Geiste einer Schilderung Siebourgs folgend, vor dem Thor von Bologna auf der V i a A e m i 1 i a und betrachten das bewegte Treiben auf dieser verkehrsreichen Strasse. „Wagen mit Weinfässern werden gemächlich von kräftigen Ochsen zur Stadt gezogen, dort trabt eine kleine Rinderherde unter lautem Zuruf des Hirten zum Thor. Zahlreiche zweisitzige Wägelchen, mit Maultieren oder Pferden bespannt, jagen in unglaublich schnellem Tempo dahin; selbst die feineren Leute behalten dies landesübliche Gefährt bei, das keineswegs sehr bequem ist. Es wandert nur, wer unbedingt muss. Am Weg steht hier und da eine einfache Osteria; schmutzig ist sie schon, aber meist schenkt sie guten Wein." Als zweites Bild wähle ich die Beschreibung einer italie- nischen Weinschenke, einer Osteria1). Der Wirtschaftsbetrieb einer Osteria ist gewöhnlich auch auf die anliegende Strasse ausgedehnt. Die innern Wirtschaftsräume sind meist sehr unvollkommen. Das Malerische und die eigentümlichen Lichtwirkungen entschädigen den ein- tretenden Fremden aber reichlich. Die Sonnenglut der Strasse hat unser Auge so geblendet, dass wir uns in dem dunklen, fensterlosen Raum, dessen Öffnung durch einen Vorhang verschlossen ist, zunächst nichts zu sehen vermögen. Doch bald hat sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt. Im Hintergrunde des Raumes erblicken wir einen Menschen in Hemdsärmeln, der an uns die Frage richtet: Vuol' mangiare? (Wünschen Sie zu essen?) und Pastoso o asciutto? (Süssen oder herben Wein?) Wir bejahen die erste Frage und bestellen herben Wein. An einem rohen Holztische haben wir uns auf wackelnden Bänken niedergelassen. Über den Tisch wird ein Tischtuch gebreitet, das gleich den hingelegten Servietten zahlreiche rote Flecken, die Erinnerungen an Rotwein und rötliche Saucen zeigt. Wir beginnen die Gabeln, Messer und die Gläser zu reinigen und lassen gleichzeitig unsere Blicke durch den Raum schweifen. Die Wände sind getüncht und mit einigen Bildern aus illustrierten Zeitungen geschmückt. Doch auch die Bilder des italienischen Königs- und des deutschen Herrscherpaares, sowie das von Garibaldi entdecken wir. Im Hintergrunde steht der Herd und daneben der Schenktisch. Inzwischen hat der Wirt den Wein aus dem Keller geholt. Ausser uns sind noch mehrere Gruppen von Gästen in der Osteria. Arbeiter und Landleute sitzen an Nebentischen. Einige spielen Karten, andere verzehren zu einem Schluck Wein die Speisen, die sie selbst J) Frei bearbeitet nach einem in der Kölnischen Zeitung vom 26. Juli 1896 ersch. Aufsatze.
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