1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
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Die Apenninen-Halbinsel.
wirtschaftlichen Verfalls. Auch in heutiger Zeit leben weite
Schichten des italienischen Volkes in bitterer Armut. Für die
Zukunft öffnen sich aber zwei günstige Aussichten: infolge
der Eröffnung des Suezkanals schlägt der Handel wieder mehr
seine alten Wege ein, und die politische Einigung lässt
auf eine ruhige Weiterentwicklung hoffen. Nicht wenig erleichtert
wird die Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse, wie schon
so oft in der Vergangenheit, durch die grosse Genügsamkeit des
italienischen Volkes.
13. Kultureigentümlichkeiten und Volksleben.
Die scharf ausgeprägte Eigenart der Landesnatur
Italiens hat auch in dem italienischen Volke viele Kultur-
eigentümlichkeiten ausgebildet. Nur einzelne Züge des italie-
nischen Volkslebens können wir hier betrachten. Zunächst ein
Verkehrsbild mitten aus dem Leben.
Wir befinden uns, im Geiste einer Schilderung Siebourgs folgend, vor
dem Thor von Bologna auf der V i a A e m i 1 i a und betrachten das bewegte
Treiben auf dieser verkehrsreichen Strasse. „Wagen mit Weinfässern werden
gemächlich von kräftigen Ochsen zur Stadt gezogen, dort trabt eine kleine
Rinderherde unter lautem Zuruf des Hirten zum Thor. Zahlreiche zweisitzige
Wägelchen, mit Maultieren oder Pferden bespannt, jagen in unglaublich schnellem
Tempo dahin; selbst die feineren Leute behalten dies landesübliche Gefährt bei,
das keineswegs sehr bequem ist. Es wandert nur, wer unbedingt muss. Am
Weg steht hier und da eine einfache Osteria; schmutzig ist sie schon, aber
meist schenkt sie guten Wein."
Als zweites Bild wähle ich die Beschreibung einer italie-
nischen Weinschenke, einer Osteria1).
Der Wirtschaftsbetrieb einer Osteria ist gewöhnlich auch auf die anliegende
Strasse ausgedehnt. Die innern Wirtschaftsräume sind meist sehr unvollkommen.
Das Malerische und die eigentümlichen Lichtwirkungen entschädigen den ein-
tretenden Fremden aber reichlich. Die Sonnenglut der Strasse hat unser Auge
so geblendet, dass wir uns in dem dunklen, fensterlosen Raum, dessen Öffnung
durch einen Vorhang verschlossen ist, zunächst nichts zu sehen vermögen. Doch
bald hat sich das Auge an die Dunkelheit gewöhnt. Im Hintergrunde des
Raumes erblicken wir einen Menschen in Hemdsärmeln, der an uns die Frage
richtet: Vuol' mangiare? (Wünschen Sie zu essen?) und Pastoso o asciutto?
(Süssen oder herben Wein?) Wir bejahen die erste Frage und bestellen herben
Wein. An einem rohen Holztische haben wir uns auf wackelnden Bänken
niedergelassen. Über den Tisch wird ein Tischtuch gebreitet, das gleich den
hingelegten Servietten zahlreiche rote Flecken, die Erinnerungen an Rotwein
und rötliche Saucen zeigt. Wir beginnen die Gabeln, Messer und die Gläser
zu reinigen und lassen gleichzeitig unsere Blicke durch den Raum schweifen.
Die Wände sind getüncht und mit einigen Bildern aus illustrierten Zeitungen
geschmückt. Doch auch die Bilder des italienischen Königs- und des deutschen
Herrscherpaares, sowie das von Garibaldi entdecken wir. Im Hintergrunde steht
der Herd und daneben der Schenktisch. Inzwischen hat der Wirt den Wein
aus dem Keller geholt. Ausser uns sind noch mehrere Gruppen von Gästen in
der Osteria. Arbeiter und Landleute sitzen an Nebentischen. Einige spielen
Karten, andere verzehren zu einem Schluck Wein die Speisen, die sie selbst
J) Frei bearbeitet nach einem in der Kölnischen Zeitung vom 26. Juli
1896 ersch. Aufsatze.