1900 -
Trier
: Lintz
- Autor: Kerp, Heinrich
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lehrbuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Kultureigentümlichkeiten und Volksleben.
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mitgebracht haben. Zur Vollendung des Gesamtbildes der Osteria muss man
sich noch die Spinngewebe in den Ecken, den Fliegenschmutz auf den Lampen
und allerlei Abfälle auf dem Boden hinzudenken. Aber der Wein mundet, und
drum sind wir schon zufrieden.
Nun noch als drittes Bild ein Volksfest in Rom, die Feier
der Johannisnacht1) vom 23. bis 24. Juni.
Auf dem grossen freien Platz vor der Laterankirche und in den angren-
zenden Strassen findet alljährlich das herkömmliche festliche Treiben statt, zu
dem sich fast 50000 Menschen zusammenfinden. Schon mit Einbruch der
Dunkelheit strömt die Menschenmenge zusammen. Die Via Merulana ist bald
von lustigen Menschen überfüllt. Sie bildet an diesem Abende eine glänzende
Feststrasse. Sie ist von zehnarmigen Lampen beleuchtet. Dazu gesellt sich
das Licht von Hunderten von Lämpchen und bunten Papierlaternen vor den
Häusern, wo es etwas zu essen oder trinken oder von kleinen Festgeschenken
zu kaufen giebt. Der Handel mit kleinen Festgeschenken ist nämlich ein wesent-
licher Teil des Treibens. Man beschenkt damit die, welche am folgenden Tage
Namensfest feiern, oder auch sonst sich gegenseitig. Der Platz vor der Lateran-
kirche bietet einen überraschend prächtigen Anblick dar. Ein Lichtmeer von
Kerzen, Fackeln und bunten Lampen strahlt uns entgegen. In Hunderten von
Zelten werden Festgeschenke verkauft, Speise und Trank dargeboten, wird ge-
sungen und musiciert. Auf dem daneben liegenden Grasplatze leuchten einzelne
Lichter auf. Um jedes lagert eine Gruppe von Menschen, die sich an den mit-
geschleppten Vorräten, an gebratenem Huhn, Eiern, Salat, Brot, Käse und an
einem Fässchen Wein gütlich thun. Sie sind die eigentlichen Bewahrer der
römischen Überlieferung, dass der Tau der Johannisnacht den Körper vor Krank-
heiten bewahre, und schmausend liegen sie bis zum Morgen im Grase. Doch
nun zurück in das fröhliche Treiben der durcheinander flutenden Menge,
die mit allerlei Instrumenten, mit Glocken aus gebranntem Thon, mit Trompeten
und Pfeifen einen Höllenlärm macht. Dazwischen ertönt Gesang, begleitet von
den Klängen der Mandoline. Bis zum Morgen dauert das fröhliche Treiben,
tür den Fremden ein Stück heiterer Volkspoesie. Wenn irgendwo, so kann man
hier erkennen, dass das Volk der heitern Freude bedarf, um an andern Tagen
die harte Lebenssorge tragen zu können.
*) Ebenfalls frei bearbeitet nach einem Aufsatze in der Kölnischen Zeitung
aus d. J. 1897.