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1. Die Landschaften Europas - S. 425

1900 - Trier : Lintz
Kultureigentümlichkeiten und Volksleben. 425 mitgebracht haben. Zur Vollendung des Gesamtbildes der Osteria muss man sich noch die Spinngewebe in den Ecken, den Fliegenschmutz auf den Lampen und allerlei Abfälle auf dem Boden hinzudenken. Aber der Wein mundet, und drum sind wir schon zufrieden. Nun noch als drittes Bild ein Volksfest in Rom, die Feier der Johannisnacht1) vom 23. bis 24. Juni. Auf dem grossen freien Platz vor der Laterankirche und in den angren- zenden Strassen findet alljährlich das herkömmliche festliche Treiben statt, zu dem sich fast 50000 Menschen zusammenfinden. Schon mit Einbruch der Dunkelheit strömt die Menschenmenge zusammen. Die Via Merulana ist bald von lustigen Menschen überfüllt. Sie bildet an diesem Abende eine glänzende Feststrasse. Sie ist von zehnarmigen Lampen beleuchtet. Dazu gesellt sich das Licht von Hunderten von Lämpchen und bunten Papierlaternen vor den Häusern, wo es etwas zu essen oder trinken oder von kleinen Festgeschenken zu kaufen giebt. Der Handel mit kleinen Festgeschenken ist nämlich ein wesent- licher Teil des Treibens. Man beschenkt damit die, welche am folgenden Tage Namensfest feiern, oder auch sonst sich gegenseitig. Der Platz vor der Lateran- kirche bietet einen überraschend prächtigen Anblick dar. Ein Lichtmeer von Kerzen, Fackeln und bunten Lampen strahlt uns entgegen. In Hunderten von Zelten werden Festgeschenke verkauft, Speise und Trank dargeboten, wird ge- sungen und musiciert. Auf dem daneben liegenden Grasplatze leuchten einzelne Lichter auf. Um jedes lagert eine Gruppe von Menschen, die sich an den mit- geschleppten Vorräten, an gebratenem Huhn, Eiern, Salat, Brot, Käse und an einem Fässchen Wein gütlich thun. Sie sind die eigentlichen Bewahrer der römischen Überlieferung, dass der Tau der Johannisnacht den Körper vor Krank- heiten bewahre, und schmausend liegen sie bis zum Morgen im Grase. Doch nun zurück in das fröhliche Treiben der durcheinander flutenden Menge, die mit allerlei Instrumenten, mit Glocken aus gebranntem Thon, mit Trompeten und Pfeifen einen Höllenlärm macht. Dazwischen ertönt Gesang, begleitet von den Klängen der Mandoline. Bis zum Morgen dauert das fröhliche Treiben, tür den Fremden ein Stück heiterer Volkspoesie. Wenn irgendwo, so kann man hier erkennen, dass das Volk der heitern Freude bedarf, um an andern Tagen die harte Lebenssorge tragen zu können. *) Ebenfalls frei bearbeitet nach einem Aufsatze in der Kölnischen Zeitung aus d. J. 1897.
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