1901 -
Berlin [u.a.]
: Spemann
- Autor: Beuermann, August, Techter, W.
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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dunstung den Feuchtigkeitsgehalt der Luft. Größere stehende Ge-
wässer fehlen unserer Provinz; aber immerhin wirken auch die vielen
kleinen Flüsse ausgleichend auf das Klima. Vorteilhaft ist für
dieses der Umstand, daß Sümpfe und Moore außer auf der Rhön
und dem Westerwalds in Hessen-Nassau kaum vorkommen und durch
kalte Nebel, die aus ihnen aufsteigen würden, keinen nachteiligen
Einfluß auf das Klima ausüben.
Endlich kommt für das Klima noch die Bedeckung des
Bodens in Betracht. Die Wälder mildern die Hitze und die
Kälte, sie hemmen die Winde und sind von günstiger Wirkung auf
die Menge der Niederschläge. Unsere Provinz hat sehr bedeutenden
Waldbestand; sie ist die waldreichste im ganzen Königreich Preußen.
Ein wie großer Segen dieser Waldreichtum sür die klimatischen
Verhältnisse unseres Landes ist, zeigt ein Vergleich der milden Witte-
rung auf dem Taunus mit der unwirtlichen auf dem kahlen Wester-
walde, und ebenso ein Hinblick aus das rauhe Klima der wald-
entblößten, von den Winden ungehindert bestrichenen Hohen Rhön.
Die Provinz Hessen-Nassau hat im allgemeinen ein gemäßigtes,
gesundes und sür den Pflanzenwuchs günstiges Klima. Die durch-
schnittliche Wärme beträgt 8—9° C. Im Rhein- und Mainthale
steigt sie auf 9—10" C, und im geschützten Rheingau ist sie sogar
10—11° C. Unter dem Durchschnitt bleibt mit 7—8° C die Tem-
peratur in den mittleren Lagen des Taunus, des Westerwaldes, des
Vogelsberges, des Knülls, der Rhön und des Thüringer Waldes.
Die oberen Teile dieser Gebirge und besonders die Nordhänge der-
selben haben nur noch 6—7" 0 mittlere Wärme. Auf den kahlen
Hochstächen der Hohen Rhön sinkt diese sogar aus 5" C. — Im
Sommer ist die Durchschnittstemperatur überall etwa um 8° höher,
im Winter ebensoviel niedriger.
Die durchschnittliche Menge aller Niederschläge
während eines Jahres beträgt in den Thälern 55—70 cm, in den
Hügellandschaften 70—85 cm und auf dem oberen Taunus, dem
Westerwald, dem Vogelsberge, dem Spessart und der Rhön
85—100 cm. So hoch würde nämlich in einem unter freiem
Himmel aufgestellten eisernen Gesäße das Wasser von allen Nieder-
schlügen (Regen, Schnee, Hagel, Tau, Reif) während eines Jahres
steigen, wenn keine Verdunstung stattfände.
D. Bodennutzung; Erzeugnisse.
„Im Lande Hessen giebt's hohe Berge und nichts zu essen",
heißt ein alter Reimspruch; aber derselbe sagt nicht die Wahrheit.
Die Provinz Hessen-Nassau ist vielmehr eine der gesegnetsten unseres
Vaterlandes. Wenn das hessische Land auch nicht so fruchtbar ist
wie die fetten Marschen an der Nordseeküste oder viele der weiten
Ebenen zu beiden Seiten großer Flüsse, so ist der Boden doch in
den meisten Gegenden ergiebig genug, um die aus ihm wohnenden