1901 -
Berlin [u.a.]
: Spemann
- Autor: Beuermann, August
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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sind allerdings große Verschiedenheiten zu bemerken. Es nehmen die
Wohnräume des Sachsenhauses die volle Breite des ganzen An-
wesens ein. Das offene Flet (Flett), das als alte Herdstelle den
Übergang ausmacht, unterscheidet sich in ursprünglicher Form nur
durch erhöhte Pflasterung von der Tenne. Der Friese wohnt in
einer Abschnürung des breiten Platzgebäudes. Er kürzt das Dach auf
etwa die Hälfte der Breite und sucht die gewonnene Höhe durch Ein-
legung eines zweiten Stockwerks auszunutzen. Außerdem ist die Ver-
teilung der Viehräume in anderer Weise vorgenommen; auch wendet
sich im Sachsenhause das Vieh nach der „Däle", im Friesenhause
nach außen.
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Friesisches Bauernhaus.
I Wohnhaus, Ii Getreidespeicher, Iii Tenne, Iv Aufbewahrungsräume (Geräte), V Pferdestall,
Vi Kuhstall, Vii Schweineställe und Futterräume, Viii Sommerküche (Gesinderaum).
Bei aller Verschiedenheit im einzelnen läßt sich eine gemeinsame
Grundform beider kaum verkennen. Sie sind wahrscheinlich beide aus
einer runden oder viereckigen Schutzhütte hervorgegangen, deren Dach,
von Ständern (Holzpfeilern) getragen, möglichst tief herabhing, und
in deren Mitte die geweihte Herdstelle sich fand. Um den Herd herum
saß die Familie im Flet, weiter ab hatten Vieh und Vorräte Raum.
Im Friesenhause scheint nur das Flet zunächst abgesondert zu sein,
während im Sachsenhause zuerst Vieh- und Wirtschaftsräume ihre
Gliederung fanden. In dem Zurücktreten der menschlichen Ansprüche
im Sachsenhause liegt die Hauptursache seines allmählichen Verschwindens.
Weil die Friesenbauart den menschlichen Wünschen und Bedürfnissen
besser Rechnung trägt, verdrängt sie das Sachsenhaus an der Stammes-
grenze beider Volkszweige.
In unserer Zeit braucht man sich über das Schwinden der
sächsischen Bauernhäuser nicht mehr zu verwundern. Das Sachsenhaus
entspricht den Bedürfnissen der Landbevölkerung und ihrer Boden-
Wirtschaft nicht mehr, und daher wird sein Verbreitungsgebiet sich immer
weiter verengen, so sehr das auch zu beklagen sein mag.
Beuermann, Hannover. g