1897 -
Halle a.d.S.
: Schroedel
- Autor: Tromnau, Adolf
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Höhere Töchterschule
- Schultypen Allgemein (WdK): Mädchenschule
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Schulformen (OPAC): Höhere Mädchenschule, Mittelschule
- Regionen (OPAC): Preußen
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
- Geschlecht (WdK): Mädchen
46 Die fremden Erdteile.
der Erde. Fast lu aller Bewohner der ganzen Erde gehören derselben an.
Im chinesischen Tieflande, das etwa so groß als das Deutsche Reich ist,
wohnen etwa 150 Mill. Leute. Diese ungeheure Dichtigkeit der Bevölkerung
nötigt jährlich Tausende zur Auswanderung. In Indien, Australien und den
Küstenländern des großen Ozeans erscheinen die genügsamen und betriebsamen
chinesischen „Kulis" als bedrohliche Mitbewerber des weißen Arbeiterelements.
Der Chinese ist ein unermüdlicher Arbeiter und schlauer Händler, zeigt muster-
hafte Sparsamkeit und bewundernswerte Genügsamkeit. Alles Ausländische betrachtet
er indes mit großer Geringschätzung. Daher haben denn auch in China die großen
Errungenschaften^ der Neuzeit aus dem Gebiete der Industrie und des Verkehrs so gut
wie gar keine Berücksichtigung gesunden. Diese Eigentümlichkeit ist der eigenartigen
Kulturentwickelung des chinesischen Volkes zuzuschreiben.
Die Kultur der Chinesen ist uralt, vielleicht älter als die der alten Ägypter.
Die^ Träger derselben waren die außerordentliche Fruchtbarkeit des Tieflandes, das
günstige Klima mit seinen Monsunen und der Mineralreichtum der Gebirge. Das
Land gewährte demnach seinen Bewohnern alle zum Leben notwendigen Bedürfnisse
in reicher Fülle und machte ihnen den Verkehr mit der Fremde entbehrlich. Dazu
kam die abgeschlossene Lage des Landes. Durch Meer, Gebirge und Wüstenstrecken,
endlich durch Länder mit niederem Kulturstandpunkt war es von den jeweiligen Kultur-
ländern getrennt. War es da nicht natürlich, daß die Chinesen, von lauter „Barbaren"
umgeben, ihr Land „das Reich der Mitte" nannten? Infolge der Jahrtausende langen
Absonderung der Chinesen von andern Kulturvölkern nutzte ihre Kultur eigenartige
Formen annehmen und schließlich einer gewissen Erstarrung anheimfallen. Mit bei-
spielloser Zähigkeit haben die Chinesen stets an uraltem Herkommen und altersgrauen
Überlieferungen festgehalten, dabei aber bereits früher eine bedeutende Hohe in ihren
Kulturbestrebungen erreicht. Sie kannten schon lange vor den Europäern die Bmh=.
druckerkunft, das Papier, den Kompaß, die Steinkohlenseuerung, das Porzellan, die
Gasbeleuchtung und das Schießpulver. — Allein trotz aller Abneigung hat der Chinese
schließlich sein Land den« Weltverkehr öffnen müssen, und durch die wenigen Pforten
(22 Freihäfen) zieht abendländische Kultur in das alte Reich. Auch ist mit dem Bau
von Eisenbahnen bereits ein Anfang gemacht.
Die Hanptnahrnngsqnelle der Chinesen ist der Ackerbau. In dieser
Hinsicht ist China das erste Land der Erde. Die Felder werden je nach
Bedarf fleißig be- und entwässert, die Dungmittel in zahlreichen Formen an-
gewandt. Selbst auf den Seen und Flüssen schwimmen Bambusflöße mit
Gemüsefeldern, ja ganzen Ansiedelungen. Die Hauptprodukte siud Thee und
Reis. Alljährlich zieht der Kaiser nach altem Brauche mit eigener Hand
eine Fnrche mit dem Pfluge auf dem heiligen Acker in Peking, um so den
Bauerustaud zu ehren. — Der chinesische Gew erbefleiß liefert ausgezeich-
nete Seiden- und Baumwollenzeuge, Porzellaufabrikate, Schnitzereien, Lack-
waren und Tusche in den europäischen Handel. — Binnenhandel und
Verkehr wird durch zahlreiche Kanäle gefördert; unter ihnen der rheinlange
Kaiserkanal.
Die Staatsreligion ist die des Consncius, welche das Schicksal
als allwaltend lehrt und Selbsterkenntnis empfiehlt. Doch bekennt sich das
niedere Volk fast durchweg zum Buddhismus. Der Kaiser herrscht als
„Sohn des Himmels" mit unumschränkter Gewalt über das Reich. Ein Heer
von Beamten, von den Europäern „Mandarinen" genannt, steht im Dienste
des Staates.
c) Städte. China ist ein Land der Riesenstädte und weist mehrere
Millionenstädte auf. Peking (nördliches Hoflager) Residenz des Kaisers (1,6 Mill.
E.) Sein Hafen Tien-tsin (1 Mill. E.). — Nanking f. Hoflager), am untern
J-'i-ngtsekjang, Hauptsitz der Gelehrsamkeit und Industrie. — Schanghai, wichtig-
ster Platz für den Außenhandel. — Canton, (2 Mill. E.) bedeutendste Industrie-
stadt des 8. In der Nähe die englische Insel Hongkong. Die Insel Haünan
ist dagegen chinesisch.