1912 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gruber, Christian, Reinlein, Hans
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
38 Erster Teil. Die natürl. Voraussetz. f. die Wirtschaftsverh. Deutsch!, im allgem.
geringsten ist die Bevölkerungsdichte in den Gebieten des Großgrundbesitzes
und des Großbauerntums, sonach in Mecklenburg (35 bis 50 Seelen auf
den Quadratkilometer), in der Osthälfte Preußens, Oldenburg und Han-
nover (55—75). Von mittlerer Stärke erscheint die Bevölkerungsdichte
quer in der Mitte des Reiches von Westfalen bis Schlesien, in der
bayerischen Rheinpfalz, im südöstlichen Teile des Reichslandes, in den
Hauptteilen von Württemberg und Baden (110—160 Köpfe auf den
Quadratkilometer). Dort finden sich im allgemeinen Bauerngüter mitt-
leren Umfangs und bäuerliche Kleinbetriebe, letztere vor allem im Süd-
westen des Reichs. Am dichtesten bevölkert sind endlich diejenigen
Landstriche, in denen Industrie, Handel und Verkehr vorherrschen:
die Rheinlande, das Königreich Sachsen und Stücke von Schlesien,
außerdem der Umkreis der Reichshauptstadt und anderer Groß-
städte, sowie Südhessen, Nordbaden und Nordwürttemberg (160—300
und mehr).
Dementsprechend finden sich auch die Großbetriebe von Industrie
und Handel (mit mehr als 50 Personen) dicht gehäuft in den westlichen
Strichen des Vaterlandes von der Südgrenze der Reichslande an bis zur
Nordgrenze von Rheinland und Westfalen, ferner in Anhalt, Schlesien
und wiederum in den Großstädten. Letztere und ihre Umgebung sind
gegenwärtig so recht die Zentren der Großindustrie sowohl was die Massen-
haftigkeit und den Wert der Erzeugnisse als die Menge der Arbeiter und
die Größe der angelegten Kapitalsummen betrifft.
Schließlich ist beachtenswert, daß die Teilnahme des deutschen
Volkes an der Industrie, an Handel und Verkehr in den letzten Jahr-
zehnten in starkem Anwachsen begriffen ist. Es entfallen nach der Berufs-
zählung von 1907 nur noch 35% der Bevölkerung auf Urproduktion,
jedoch 40% auf Industrie und Bergbau und 12,4, auf den Handel, während
sich noch im Jahre 1895 die beiden großen Berufsgruppen mit rund 37,5%
an Stärke vollständig gleich waren und nach der Berufszählung von 1882
in der Land- und Forstwirtschaft noch 43, in der Industrie nur 33,7 und
im Handel wenig mehr als 8% der Bevölkerung tätig waren. Auf die
fortschreitende Industrialisierung der deutschen Bevölkerung hatten schon
die Ergebnisse der Volkszählung im Jahre 1900 deutlich hingewiesen, die
in 73 599 Landgemeinden nur 25 734 000, dagegen in 3360 städtischen
Gemeinden 30 633 000 Seelen ausgewiesen hatte. Noch klarer trat dieser
Ilmwandlungsprozeß in der. Erhebung von 1910 hervor, bei welcher
575 Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern gezählt wurden. Der
Übergang vom Agrar- zum Industriestaat hat sich also auch im Deutschen
Reiche längst vollzogen und wird mit der steigenden Bevölkerungsziffer
immer klarer und schärfer zum Ausdruck kommen.