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1. Deutschland einschließlich seiner Kolonien - S. 77

1912 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Das Nordseehinterland. 77 Deutschlands volle drei an: Rheinland, Westfalen, Thüringen und Sachsen; ebenso von den fünf großen deutschen Strömen drei: Rhein, Weser und Elbe. Dazu hat Westelbien an allen Vorzügen Anteil, welche die Nordsee dem Handel und Verkehr bietet und besitzt die beiden hervorragendsten und kapitalkräftigsten Handelsemporien des Reiches: Hamburg und Bremen. Wie an Umfang hat das Nordseehinterland auch hinsichtlich der Bodenform, seiner Bodenschätze und der Brauchbarkeit für den Anbau hinter die Osthälfte Niederdeutschlands zurückzutreten. Wohl haben die gleichen Vorgänge hier wie dort dem Antlitz des Landes seine letzten kennzeichnenden Züge ausgeprägt: die Ablagerungen von Lehm, Sand und Blockwerk aus der Eiszeit und die ganz jungen Absätze von See- schlick im Gebiete der Marschen. Und wohl streichen die Ausläufer des sog. Baltischen Höhenrückens bis über die Elbe und erheben sich in der Lüne- burger Heide noch 170 m hoch. Aber die gesamte mittlere Zone West- elbiens ist von minder ertragfähigem Moor- und Geestland erfüllt. Nur die Säume der Landschaft, die Küstenmarschen (einschließlich der Vier- lande bei Hamburg mit ihren großen Gärtnereien) sowie das Vorland vom Harz und Wesergebirge besitzen eine wahrhaft ergiebige Ackerkrume, wo alle Getreidearten, Zuckerrüben, Raps, Kartoffeln und Gemüse trefflich gedeihen. Auch für die Viehzucht eignen sich weite Strecken des Nordsee- hinterlandes. Die Rinder der Marschen liefern sowohl gewaltige Mengen von Milch als ausgezeichnetes Fleisch. Nicht minder berühmt sind die Arbeitsleistungen der Pferde des gleichen Gebietes. Die Heidestriche der Geest nützt man zur Schaf- und Bienenzucht aus. Für die Lebensführung der Küstenbewohner endlich ist der unerschöpfliche Reichtum der Watten und der Nordsee an Heringen, Schollen, Seezungen, Butten, Makrelen, Stören, an Krebsen und Muscheln von einschneidender Wichtigkeit. An Bodenschätzen gewinnt man in Westelbien nur viel Torf und auch Salz (Salinen von Hannover, Lüneburg und Stade), ferner Raseneisen- stein, Gips, Braunkohlen, Ziegellehm und Granitblöcke (Findlinge) zum Häuserbau und zur Pflasterung. Die drei Landschaftsgürtel des Nordseehinterlandes hat H. Allmers nicht ohne Grund mit den Temperamenten verglichen. Nach ihm stellt sich die Marsch als ein Bild des Phlegmatischen, schwerfällig Behaglichen dar. Ihre stets schnurgeraden Linien, die faltenlose Ebene mit dem einförmigen Grün, die träge fließenden Binnen- gewässer, der zähe, tonige Boden, die schweren, behäbigen Tiere, die Bevölkerung: alles ist ein Bild des ruhigsten Phlegmas, wie keine andere Gegend es bietet. — Die leichte, sandige Geest dagegen ist durch und durch sanguinisch, wechselhaft, lau- nisch. Hier ist alles Wechsel, bald ernst, bald heiter, bald dürr, bald fruchtbar, bald Tal, bald Hügel; hier dämmeriger Wald, dort schattenlose Sandwüste; hier grünen- der Wiesengrund und wallende Getreide-, Rübsamen- und Kartoffelfelder, dort steiniges, unfruchtbares Heideland; hier rauschende Mühlenbäche, dort stille, rohr- umflüsterte Teiche — alles in schroffen Gegensätzen wie der Ausdruck eines sangu- inischen Gemüts. — In den Mooren endlich findet die tiefste Melancholie ihren Aus- druck, eine Schwermut, welche der köstlichste Frühlingsmorgen und der sonnenhellste
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