1912 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gruber, Christian, Reinlein, Hans
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
Das Ostseehinterland.
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schäften von frischer, herber Eigenart, daß man (allerdings in unbegreif-
lich übertriebener Weise) von einer Holsteinischen, Mecklenburgischen,
Märkischen und Pommerischen Schweiz spricht. — Dem südlichen Land-
rücken gehört außer dem Tarnowitzer Plateau (s. S. 74), den sog. Katzen-
bergen bei Breslau, der schlesischen und Lausitzer Schwelle im Norden
der Sudeten (s. S. 74) noch der F l e m m i n g rechts der Elbe in der
Nähe Wittenbergs zu. Er birgt bei Luckenwalde ein riesenhaftes Stein-
salzlager. Nach seiner Bodengestalt wie nach seinem Werte für den Boden-
anbau tritt er nicht besonders hervor. — Dagegen ist trotz seiner geringen
Ertragfähigkeit der mittlere Gürtel des Ostseehinterlandes, wo einst die
norddeutschen Hauptgewässer von der Weichsel bis zur Weser gemeinsam
dahinslossen, von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Durch diese Senke
strömt der Verkehr vom landwirtschaftlichen Osten zum industriellen
Westen des Reiches. Hier erwuchsen daher auch, besonders an jenen
Stellen, wo sich mit der westöstlichen Hauptlinie die Bahnen des nord-
südlichen Verkehrs schneiden, eine Anzahl hervorragender Städte wie
Brandenburg, Berlin, Frankfurt a. O., Küstrin, Posen, Bromberg, Thorn.
Mit Bodenschätzen wurde das Ostseehinterland nicht reichlicher be-
dacht als Westelbien. Sie beschränken sich hier wie dort, vom Bernstein
abgesehen, auf ausgiebige Torfgründe, Braunkohlenlager, Steinsalzflöze
(bei Jnowrazlaw —- jährliche Ausbeute 50 000 t, — und Sperenberg),
Kalksteine (bei Rüdersdorf und besonders in Posen), Gips (bei Speren-
berg), Kreide (auf Rügen) und Tone zu Ziegeln und Töpferwaren.
Und so wandte sich denn die Haupttätigkeit der Bevölkerung haupt-
sächlich der Landwirtschaft und den landwirtschaftlichen Gewerben zu, und
dies um so mehr, als neben vielen von der Natur nur stiefmütterlich be-
dachten Landstrichen — es sei davon bloß die „Tuchler Heide" genannt —
auch zahlreiche höchst ergiebige Gegenden zu Ackerbau und Viehzucht ein-
luden. So die Marschländer des nördlichen Holsteins, Teile Mecklenburgs,
die nördliche Altmark, die Priegnitz, die Uckermark, der„Pyritzer Weizacker",
die Gegenden nördlich der Warthe, das mittlere Posen, die Stolpe-,
Weichsel-, Pregel- und Memelniederung. Dort dehnen sich weithin
wogende Getreidefluren, Felder mit Zucker- und Speiserüben (Teltow),
mit Kartoffeln und Flachs, Hopfen, Tabak und Raps aus. Dort finden
sich aber auch prächtige Wiesen und Hutungen, wo — wie vor allem in
Holstein und Mecklenburg —- Rinder- und Pferdezucht in vorbildlicher
Art betrieben wird; ferner nimmt man sich der Schaf- und Schweine-
zucht vor allem in den südlichen Gebieten des Ostseehinterlandes sorg-
fältig an. Endlich liefert gleich der Nordsee auch die Ostsee ihren An-
wohnern zahllose Fische, Krebse und Muscheln zum Hausgebrauch und für
den Handel.
Wie in Westelbien bilden auch in Ostelbien die landwirtschaftlichen
Erzeugnisse die Grundlage für die meisten Gewerbe. Deshalb finden sich
Gruber-Reinlein, Wirtschaftsgeographie. 3 Aufl.
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