1912 -
Leipzig [u.a.]
: Teubner
- Autor: Gruber, Christian, Reinlein, Hans
- Auflagennummer (WdK): 3
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Geographie, Region?
- Inhalt: Zeit: Geographie
82 Zweiter Teil. Die natürlichen Wirtschaftsgebiete Deutschlands.
auch hier wie dort zahlreiche Spiritus- und Branntweinbrennereien, Korn-
und Ölmühlen, Stärke- und Zuckerfabriken, Flachsspinnereien, Zigarren-
und Tabakfabriken, Sagemühlen und Möbelschreinereien; ferner in
Posen und Brandenburg infolge der Schafzucht große Gewebe-
industrien, wie in der Niederlausitz (vgl. S. 72), in Berlin, Pots-
dam (62) und Brandenburg (Seidenstoffe, Kurzwaren). Daneben
fand noch die Produktion von Eisenwaren und Kriegsartikeln aller Art
Eingang, ferner die Herstellung von Glas und Porzellan (Charlotte n-
b u r g [305]). Der Kaolin für letzteres wird in Morl und Trotha gewonnen.
Wenn sich auch an der Ostsee infolge ihres geographischen Gesamtcharakters
(s. hierüber S. 17 ff.) in der Neuzeit nicht derartig gewaltige Handelsemporien ent-
wickeln konnten, wie es Hamburg und Bremen im Nordseehinterlande sind, so wird
doch ihr Gestade von einer Reihe bedeutsamer Städte umsäumt, die unser Verkehr
und Handel keineswegs missen könnte. Dort liegt ungefähr in der Mitte der deutschen
Ostseeküste Stettin (236) nahe der Mündung des wichtigsten Ostseestromes, der
Oder, und nicht allzuweit entfernt von den Wasserstraßen, welche die letztere mit der
Elbe im Westen und mit der Weichsel im Osten verbinden. Es ist die für Berlin nächst-
gelegene Seestadt und fand innerhalb eines durch Fruchtbarkeit ausgezeichneten
Landstriches seinen Platz, wo es an Ton und Zement als Baumaterialien nicht
mangelt. Es hat die berühmte Schiffswerft „Vulkan" und produziert Maschinen,
Tonwaren, Spiritus und Zücker in beträchtlichen Mengen. Der Seeverkehr beträgt
mehr als 8000 Schiffe, die hauptsächlich Getreide, Steinkohlen, Erze, Petroleum und
die Jndustrieartikel Stettins verfrachten. Stettins Seehafen Swinemünde
berühren jährlich gegen 1700 Seeschiffe. — Im Osten von Stettin finden sich Danzig,
Königsberg, Elbing und Memel. Danzig (170) an der Altweichsel besitzt in seiner
unmittelbaren Nähe ein ergiebiges Hinterland und treibt lebhaften Handel mit Holz
und Getreide, Eisen, Kohlen, Petroleum und Fischen. Danzigs Seehafen Neu-
f a h r w a s s e r besuchen jährlich etwa 5500 Schiffe. Königsberg (246), mitten
zwischen dem Frischen und Kurischen Haff am tiefen unteren Pregel gelegen, zählt
zu den ersten Handelsplätzen Deutschlands. Die großartig umgebaute Hafenanlage
der Staht und der 6% ru tiefe Seekanal ermöglichen es, daß auch die großen See-
dampfer direkt bis Königsberg gelangen können. So übersteigt denn auch die Zahl
der ein- und auslaufenden Seeschiffe 5400 und erreicht im Binnenverkehr die hohe
Zahl von 18 000 Fahrzeugen. Eingeführt werden besonders Steinkohlen, Heringe
und Kolonialwaren, ausgeführt vor allem Getreide, Flachs, Hanf und Holz, besonders
nach England und Holland. Der Vorhafen ist P i l l a u mit einem Gefamtverkehr
von jährlich etwa 400 Seeschiffen. Königsberg betreibt gleich Elbing viel Reederei
und hat stark entwickelte Bernsteinwaren-, Maschinen- und Spiritusindustrie. —
Memel endlich, am Nordende des Kurischen Haffs, dient der Vermittelung des
wichtigen Grenzverkehrs zwischen Deutschland, den russischen Ostseeprovinzen und
Schweden (jährlicher Schiffsverkehr gegen 2600 Fahrzeuge). — Im Westenvon
Stettin haben Lübeck, Rostock und Kiel eine nicht unbeträchtliche Bedeutung für
den Handel. Obwohl Lübeck (99) durch seine Lage an der Mecklenburger Bucht
unmittelbar auf den Verkehr mit Dänemark und Schweden hingewiesen wird, die
Trave auf eine Tiefe von 5 m ausgebaggert ist und der Elb-Trave-Kanal die Stadt
mit Hamburg verbindet, vermag es seine frühere Blüte nicht mehr zu erreichen.
Dies hindert hauptsächlich der Wettbewerb Hamburgs, Kiels und Rostocks mit Lübeck,
der übrigens uralt ist, und zudem die geringere gegenwärtige Verkehrsbedeutung
der geschlossenen Ostsee gegenüber ihrem offenen Nachbarmeere. Immerhin hat
sich Lübecks Seeverkehr in den letzten Jahren zusehends gehoben und im letzten