1906 -
Leipzig
: Degener
- Autor: Steckel, Ernst
- Hrsg.: ,
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Inhalt Raum/Thema: Vaterländische Geschichte
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so daß es sich 3 km am Neckar entlang zieht. Der Blick von der Philosophen-
höhe nördlich vom Neckar (s. Bild!) zeigt uns die schon von den Römern gegründete
Niederlassung, über derselben das auf den Resten eines römischen Kastells erbaute
Schloß und im Hintergrunde die Höhen des Königsstuhles. Das Schloß erhebt
sich malerisch als eine „deutsche Alhambra" aus seiner Umgebung. Unter den
Hauptgebäuden desselben, welche ein Viereck mit Ecktürmen bilden, ist der Otto-
Heinrichsbau als elegantes und prachtvolles Musterwerk phantasiereicher Früh-
renaissance mit reichem plastischen Schmuck hervorzuheben. (S. Bild!) Seit 1764
ist das Schloß eine Ruine, aber die großartigste Deutschlands, die mit größter
Sorgsalt vor weiterem Verfall geschützt wird. Sehenswert sind die schönen
Granitsäulen am Schloßbruuueu, die aus dem Palast Karls des Großen zu
Ingelheim stammen, die gut erhaltene Schloßkirche im Friedrichsbau, in dessen
Kellergewölbe das bekannte große Heidelberger Faß liegt, das weit über x/4
Million Flaschen fassen kann. In Heidelberg ist die älteste Universität des Deutschen
Reiches, 1386 gegründet. Von Professoren dieser berühmten Hochschule wurde
1562 der Heidelberger Katechismus verfaßt, das Religionsbuch der Reformierten.
Und wie herrlich ist Heidelberg von der Natur bedacht! In jeder Jahreszeit
legt sie diesem Schoßkindchen ein neues Kleid au; im Lenz zeigt es sich als
prangender Garten, im Sommer im Linden- und Hollnnder-Dnft, im Hochsommer
mit wogenden Kornfeldern, und im Herbst lachen die rotbäckige Aprikose und saftige
Traube. Viktor von Scheffel hat Recht, wenn er sagt: „Alt Heidelberg, du feiue,
du Stadt au Ehren reich, am Neckar und am Rheine kein' andre kommt dir gleich."
(„Trompeter von Säkkingen" von Viktor v. Scheffel.) Die Großstadt Mann-
heim (140*/J gehört der Ebene an (s. S. 92).
3. Der Odenwald.
Zwischen Neckar, Tauber, Main und der Oberrheinischen Tiefebene erhebt
sich der Odenwald (Ottonis silva — Ottos Wald). Die östliche Hälfte, das
Bauland, besteht aus Muschelkalk und ist eine waldarme Hochebene. Am
Nordostrande derselben liegen an der Tauber die zu Baden gehörigen Orte
Tauberbischofsheim (31/2) und Wertheim (33/4).
Die westliche Hälfte bildet den eigentlichen Odenwald, der sich aus Gneis,
Granit und Buntsandstein aufbaut. Der höchste Berg ist der am Neckar gelegene
Katzenbuckel (626 in); aber die schönste Aussicht bietet der Malcheu (518 m)
südlich von Darmstadt. Östlich von demselben ist in der Umgebung des Felsberges
das Centrum der Grauit-Judustrie des Odenwaldes; gesuchte Ware bilden die
dunklen Granite von Lindenfels, die eine herrliche Politur annehmen. Eine
Sehenswürdigkeit ist das Felsenmeer an den Gehängen des Felsberges, das an
Großartigkeit das am Brocken und im Riesengebirge übertrifft. Eins der Fels-
stücke bildet die 10 in lange „Riesensäule", ein anderes heißt „Altar", ein
drittes „Schiff". Diese Syenitblöcke zeigen Spuren menschlicher Bearbeitung,
welche von den Römern oder den alten Deutschen verrichtet sein mag.