1906 -
Breslau
: Hirt
- Autor: Jecht, Richard, Stutzer, Emil, Kühn, Albin, Zeitzschel, Emil, Wetzold, Alwin, Schmidt, Oswald
- Auflagennummer (WdK): 2
- Sammlung: Geographieschulbuecher Kaiserreich
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Görlitz
- Inhalt Raum/Thema: Heimatkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
§ 130. 131
A. Geschichtlicher Uberblick.
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gewaltig an Bedeutung. In geschickter Ausbeutung des Sieges bei
Mühlberg wußte sodann Ferdinand diestädte gänzlich niederzuschmettern.
Das geschah im Pönfall, d. h. Straffall, der infolge angeblich versagter
Hilfe im Schmalkaldischen Kriege 1547 eintrat. Görlitz verlor die
hohe Gerichtsbarkeit im Weichbilde der Stadt, sämtliche Landgüter und
die freie Ralskür. Es ward eine „Krondomäne".
§ 130. Folgen des Pönfalles. Der Pönfall hat nicht nur den
Sechsstädtebund zu einer ganz machtlosen Einrichtung herabgedrückt
und jeder einzelnen Stadt ihre Grunderwerbungen, Waffen, gerichtlichen
und administrativen Vorrechte genommen, sondern er hat auch die Ver-
waltung des Gesamtlandes auf Jahrhunderte geändert. Dem Adel,
der vom Pönfall so vieles erhofft hatte, wuchs die landesherrliche
und bureaukratische Macht ebenfalls über den Kopf. Auch für die
Beziehungen nach außen ward natürlich diese Gestaltung der Verhältnisse
von einschneidender Bedeutung. Während früher der Sechsstädtebuud
(vor allem Görlitz) selbständig in die Politik eingriff, seine Gesandten
zu den umwohnenden politischen Gewalthabern, ja nach Konstanz und
Rom schickte, zu den deutschen Reichstagen seine Bevollmächtigten
abordnete, öfters selbständig Kriege führte und sich sogar das Recht nahm,
die Landesherren zu küren, so spielen Stadt und Land fortan eine
leidende Rolle; der Landesherr erledigt für sie alle politischen Zwischen-
fälle, er nimmt sich ihrer an oder auch nicht, an ihn haben sie sich
jedenfalls immer zu weichen. Daher fehlt von da an das stolze
Selbstbewußtsein, das die früheren Leiter der Stadt beseelte; statt
dessen zeigt sich unterwürfiges Wesen und ängstliche Rücksichtnahme
nach oben. Es schwindet auch immer mehr der weite Gesichtskreis;
enges Spießbürgertum, das froh ist, nach oben die Verantwortlichkeit
abwälzen zu können, das sich auch deu nachbarlichen Adligen keines-
falls gleich schätzt, macht sich breit. Wenn noch von einer Selb-
ständigkeit der Oberlausitz nach den Zeiten des Pönfalles geredet
werden kann, so gilt sie nicht von den Städten, sondern von den
Vertretern des Adels. Damit ist übrigens keineswegs gesagt, daß
die Oberlaujitz ihre Sonderverfassung verloren hätte. Diese blieb viel-
mehr bestehen und bildete sich auch eigenartig mit und nach dem
Pönfall um. Erst im Beginn des 19. Jahrhunderts schwand sie
vollständig aus den Städten; das Land bewahrt sie zum Teil noch
bis heute.
§ 131. Der Ausgang der habsburgischen Regierung (1548
bis 1635). Die Geschichte der Stadt Görlitz nach dem Pönfall unter-
scheidet sich in nichts mehr von der einer gewöhnlichen untertänigen